Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Die Zukunft von Qt und MeeGo: Fountains and Rainbows

Stephen Flop hat seinen Deal mit Microsoft auch firmenintern nicht vor 2/11 angekündigt. Die in erster Linie betroffenen Qt- und MeeGo-Entwickler waren ebenso fassungslos wie Konsumenten, Investoren und Medien.

Langsam legt sich der Schock. Tatsächlich sehen einige Beteiligte nun auch Vorteile in der neuen „Strategie“. Im Developer Blog der Qt Labs z.B. findet sich der ausgesprochen lesenswerte Artikel Buckets of (cold) Water. In Anspielung auf Stephen Flops seltsames „burning platform“-Memo steht dort:

It is of course naive to pretend that Qt was not on the burning platform, and that we are not affected by the strategic change. However, I personally like to think of Qt during the last years as the bucket of water that we tried to quench the fires with – and in the end that bucket turned out to simply be too small for such a big task. Now a part of Nokia will gradually move to a different platform for a part of the company’s strategy, and as long as that platform doesn’t burst into flames we might not need Qt to be a big bucket of water again.

That is not a bad thing – because we don’t really like to throw buckets of water at a burning platform if instead we can make breathtaking fountains and rainbows.

Mit einem Wort: Weniger Arbeit in die Modernisierung eines Betriebssystems aus dem Jahr 1998 stecken, mehr Raum für Innovationen haben, das klingt für einen Qt-Entwickler positiv; selbst dann, wenn die Rolle von Qt innerhalb von Nokia in Zukunft deutlich kleiner sein wird als erhofft.

In die gleiche Kerbe schlägt jemand, der sich unter dem Pseudonym lemon_grass in der Vergangenheit als verläßliche Quelle für Insider-Informationen hervorgetan hat. In einem Forum-Posting macht er seinem Ärger Luft: All the Qt R&D time was sucked up by Symbian, schreibt er. Symbian is the OS that was holding up its [Qt; Anm.] release to the outside world. Maemo and linux already had QT grounding. (Nebenbei: lemon_grass ist auch der, der uns verraten hat: Das N900 war tatsächlich schon im Sommer 2009 verkaufsfertig, wie ich hier geschrieben habe. Das Management hat aber den Marktstart um ein halbes Jahr verschoben, um den erhofften Erfolg des N97 (!) nicht zu gefährden.)

Die langjährige Lichtgestalt der Maemo/MeeGo-Community, Quim Gil, wurde von Flops 180°-Wende zwar genauso kalt erwischt wie alle anderen. Aber auch er kann der neuen Situation mittlerweile Positives abgewinnen:

A side effect of the NOK/MSFT collaboration is that there is less pressure on the business requirements and the differentiation of this MeeGo based device - which means that more open and open source approaches are being considered.

Die gemeinsame Aussage: Weniger wichtig zu sein bedeutet auch, mehr Freiräume zu haben. Einzelentscheidungen bezüglich Qt und MeeGo werden in Zukunft (sofern es die Zukunft gibt) vielleicht wieder von Führungskräften getroffen, die Ideen und Leidenschaft haben; nicht von denen, die Business Cases lesen. Tatsächlich war das in der Vergangenheit ohnehin immer so bei Maemo. Meiner Begeisterung für die Modelle aus diesen Jahren hat das keinen Abbruch getan, ganz im Gegenteil.

Kann also jetzt auch ich positiv in die Zukunft sehen? Noch nicht wirklich. Noch ist ja nicht klar, ob Qt und MeeGo überhaupt eine Zukunft haben. Aber: Wir kennen die ursprünglichen Pläne für die Zeit nach dem N900. Sie enthielten weitere Zugeständnisse an einen Markt, der eigentlich keine Smartphones will, sondern nur einfache Feature-Phones als solche bezeichnet. (Schon das N900 war ja gegenüber den N8x0-Modellen etwas eingeschränkt.) 60% der Geräte, die heutzutage als „Smartphone“ verkauft werden, sind überteuerte, einfach gestrickte Media- und Feature-Phones. Hätte Nokia MeeGo in diesen Pseudo-Smartphone-Markt gebracht, wären weitere drastische Einschnitte im Leistungsumfang zwingend gewesen, um mit den sich nach unten nivellierenden Kundenerwartungen mithalten zu können (siehe z.B. die kommende DRM-Unterstützung). Dieser Entwicklung zu entkommen, das ist die neue große Chance: eine Zukunft für MeeGo (und Qt) nicht als die große Plattform am Markt, sondern als High-End Nischenprodukt für Leute mit besonders hohen Ansprüchen; mit Ansprüchen, die nur ein echtes Smartphone befriedigen kann; für Leute wie mich.

Wenns so kommt, bleibt alles beim Alten. MeeGo wird, was Maemo immer war. Und Maemo war perfekt für mich. ;)

 
schlosser meinte am :
Jaja, die Wellen legen sich langsam!
Ich habe mir gestern die Mühe gemacht, die drei Teile des "Nokia Press Briefing" aus Barcelona anzusehen: Irgendwie mit einem ganz komischen Gefühl. Denn immer wieder war zwischen den Zeilen zu lesen, dass man diese neue Partnerschaft mit MS nicht so absolut sehen soll, wie sie anfangs ausgesehen hatte. Oftmalig hat man von more symbian devices in the months AND YEARS to come gehört... hä? Da war nix mehr zu spüren von einer radikalen Zäsur. Ich finde auch, daß es schlicht und einfach wahnsinnig und wahnsinnig fahrlässig von einem Unternehmen wäre, die jahrelang aufgebaute Stammkundschaft so in den Arsch zu treten. Denn jeder Unternehmer (vielleicht auch Mr. Flop?) weiß, dass es halt viel, viel schwerer ist, neue Kundschaft zu kriegen als die bestehende zu halten. Deshalb glaube ich ehrlichgesagt an eine Doppelgleisigkeit die nächsten zwei, drei Jahre und nicht an ein kurzfristiges Ende von Symbian (oder QT. Die Zusammengehörigkeit ist mir als "einfachem User" nicht immer ganz klar ;-)

Ich freu mich schlicht und einfach über mein N8, ärgere mich ein bisserl über die Mankos des E7 (sonst hätt ich´s auch schon bestellt) und würd´ noch mehr über ein N9 in den nächsten Monaten jubilieren. Ob von Nokia oder Intel oder einem Spin-Off von beiden...? 
ossi1967 antwortete am :
Years to come

Ganz so rosig seh ichs nicht. Ja, es gab mittlerweile seltsame Äußerungen … Die Ehe mit Microsoft sei nicht „exklusiv“, wurde da z.B. betont. Was heißt das? Daß sie doch auch Android - Moment, ich geh mir kurz mal den Munde mit Seife auswaschen …

 

 

… auf ihre Telefone hauen? Vielleicht. Ich bin mir aber ziemlich sicher: Es heißt nicht, daß sie sich die Zukunft mit MeeGo/Symbian unter dem Qt-Sonnenschirm doch insgeheim offen halten. Dazu müßten sie jetzt investieren, und zwar schnell und viel. Flop tut genau das Gegenteil: Er streicht die Investitionen dort radikal zusammen.

Years to come kann auch bedeuten: heuer und 2012. Genauer finde ich die Aussagen über die Mengen: 150.000.000 Symbian-Geräte will man laut Geschäftsplanung noch verkaufen, bevor das Betriebssystem einschläft. Im Jahr 2010 allein wurden 100.000.000 Symbian-Handys verkauft - Tendenz stark steigend. Wenn sie „nur“ mehr 150.000.000 Stück verkaufen wollen, ist spätestens Mitte 2012 Schluß, wahrscheinlich früher.

Und der Zusammenhang zwischen Symbian, MeeGo und Qt ist doch sonnenklar, Hase: Qt ist eine Schicht zwischen dem Betriebssystem (Symbian, MeeGo, aber auch Windows, OS X oder GNU/Linux am PC) und dem Programm, das Du schreibst. Aus Sicht des Betriebssystems ist Qt ein Programm - es wird also (nach-)installiert und muß nicht fest ins Betriebssystem integriert sein, obwohl Symbian und Maemo dzt. mit vorinstalliertem Qt ausgeliefert werden. Aus Sicht des Programms, das Du schreibst, ist Qt sowas wie das Pseudo-Betriebssystem. Normalerweise müßtest Du als Programmierer ja dem Betriebssystem sagen: „Öffne diese Datei“ oder „Sag mir, wenn der User auf den Touchscreen drückt“. Das geht bei jedem Betriebssystem anders und macht das Programmieren umständlich. Mit Qt sagst Du es nicht dem Betriebssystem, sondern Qt. Qt „übersetzt“ das dann in den Befehl, den das Betriebssystem versteht. Und Dein Programm läuft überall, wo Qt auch läuft. (Nicht auf WP7: Microsoft hat das so gebaut, daß Qt nicht einsetzbar ist. Auf alten Windows Mobile Versionen bis 6.5 gings noch.) Darum war Qt für Nokia so wichtig, solange sie ihre Strategie mit Symbian und MeeGo hatten: Sie konnten Entwicklern versprechen, daß sie nicht für zwei völlig unterschiedliche Systeme programmieren müssen. Man mußte nur 1x für Qt programmieren und hatte ein Programm, das auf Symbian und MeeGo, im Idealfall sogar noch auf einer Reihe von Desktop-Betriebssystemen lief.

 
schlosser antwortete am :
Aha.
Aber für Entwickler heisst das dann doch: Nimmt Nokia in Zukunft kein QT-verträgliches Betriebssystem an Bord, dann muss ich mich als QT-based Softwareentwickler doch nur an Handyhersteller mit Betriebssystemen wenden, die QT verstehen. Und schon laufen meine Apps wieder! Oder hab ich jetzt was falsch verstanden? Und welche Betriebssysteme verstehen QT noch (ausser Symbian/Meego)? 
ossi1967 antwortete am :
Weiß nicht.
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