Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Politik und Gesellschaft



Demokratie vs. Sauwetter

Amtshaus Hernals, ElterleinplatzDer aufrechte Demokrat in mir freut sich seit dem Frühstück darauf, sein Kreuzerl bei der Volksbefragung machen zu dürfen. Der Schweinehund sieht aus dem Fenster und stellt fest: Da draußen ist es kalt und verschneit, ich bleib in der Wohnung.

Nun gibt es ein Beweisfoto, damit auch jeder sieht: Der Demokrat hat gewonnen. Fast ausgerutscht wär ich auf dem Weg zum Wahllokal, durch knöcheltiefen Schnee bin ich gestapft - nur um dann ausgerechnet in jenem Zimmer meinen Willen kundtun zu dürfen, das gut lesbar mit „Pensionistenclub“ beschriftet ist. Saubande, bösartige! :)


Europe vs. Facebook

Die Arbeit von Europe vs. Facebook geht langsam ins Geld. Falls eine Berufung gegen die Entscheidung der irischen Datenschutzbehörde notwendig wird, sollen die netten Jungs auch meine Unterstützung dafür haben.

Auf crowd4privacy.org hab ich also heute, ganz im Sinne vorweihnachtlicher Spendenfreude, € 50,- abgedrückt. Wenns nix nutzt, verbesserts wenigstens mein Karma.


Herbergssuche für Neugeborene

Sollte jemand von meinen Lesern planen, 2013 ein Kind in die Welt zu setzen, möge er das nach Möglichkeit in der Schweiz, Australien, Norwegen, Dänemark oder Schweden tun. Diese Länder haben nach dem aktuellen Where To Be Born Index die höchste Wahrscheinlichkeit, dem später Erwachsenen ums Jahr 2030 herum eine gute Lebensqualität zu bieten. Eher fernhalten sollten sich werdende Eltern von der Ukraine, Kenia oder gar Nigeria. Dort bitte keine Kinder kriegen.

Österreich? Liegt auf Platz 13 und damit unter den 80 ausgewerteten Ländern gar nicht so übel. Früher ganz hoch bewertete Länder wie die USA, Deutschland oder Frankreich schneiden inzwischen schlechter ab als wir. Überhaupt: Es gibt außer der Schweiz kein Nachbarland, das besser abschneidet als Österreich. (Liechtenstein wurde nicht bewertet.) Apropos Nachbarn: Wenn man schon über die Grenze muß, dann nicht in die Slowakei oder gar nach Ungarn. Diese beiden Nachbarländer liegen besonders weit hinten.

Die Top 20 mit den Vergleichwerten aus 1988 (da fand die letzte Erhebung statt) im Überblick:

2013 Land 1988
1Schweiz13
2Australien18
3Norwegen13
4Schweden9
5Dänemark24
6Singapur26
7Neuseeland18
8Niederlande10
9Kanada5
10Hong Kong7
11Finnland18
12Irland15
13Österreich12
14Taiwan-
15Belgien15
16Deutschland2
16USA1
18Vereinigte Arabische Emirate32
19Südkorea10
20Israel30

Für Europa gilt also generell: Skandinavien bringts. Go North!


Von Reichtum und Umverteilung

Sozialberichte des Sozialministeriums sollten regelmäßig zu blutigen Revolutionen führen. Stattdessen reicht es für eine unverständlich formulierte Randnotiz in der Zeitung.

Im aktuellen Bericht 2011-2012 wird erstmals eine genauere Analyse der Vermögensverteilung in Österreich vorgenommen. Zusammen mit den Daten aus früheren Berichten halte ich folgende Punkte daraus für besonders erwähnenswert:

  • Es gibt in Österreich keinerlei politisches Interesse und keinen Gestaltungswillen, was Vermögensverteilung und -umverteilung betrifft. Bis 2012 hatte man nicht einmal grundlegendste Daten dazu und hätte sie aus eigener Initiative bis heute nicht. Daß die Daten überhaupt erstmals erhoben wurden (so gut es ging), ist der Bemühung der Europäischen Union zu verdanken.
  • Eigentlich sollte - bei einer theoretischen 100%igen Verteilungsgerechtigkeit - jeder österreichische Haushalt über ein Nettovermögen von rund € 265.000,- verfügen. Tatsächlich erreicht nicht einmal ein Viertel der Haushalte diesen Wert.
  • 50% der Haushalte haben durchschnittlich nur rund € 18.500,- an Nettovermögen. Die reichsten 5% dagegen haben im Schnitt € 2.571.500,- pro Haushalt angesammelt. (Dazwischen liegen 30%, die sich zur „oberen Mitte“ zählen dürfen und durchschnittlich etwa € 178.000,- Nettovermögen besitzen. Gleich danach und unterhalb der „Top 5%“ kommen die 15% der „Vermögenden“ mit € 497.000,- Nettovermögen im Schnitt.)
  • Aus dem 2010er-Bericht: Weniger als 0,5% der Österreicher sind im Besitz von mehr als einem Drittel des Geldvermögens.
  • Den ärmsten Österreichern ist ihre Position in der Statistik nicht bewußt: Als einzige Gruppe verschätzen sich die ärmsten 30% nach oben, wenn sie sich in der Vermögensskala einordnen sollen. Politisch bedeutet das, daß sie sich bei jeder Diskussion über die Umverteilung des Vermögens tendenziell eher auf der Seite sehen, der etwas weggenommen werden soll, nicht auf der Empfängerseite.
  • Die ärmsten 50% der Haushalte verfügen über nur 4% des gesamten Brutto-Vermögens in Österreich. Dem gegenüber stehen die reichsten 5%, denen 45% des gesamten Bruttovermögens gehören.
  • Ebenfalls aus dem 2010er-Bericht: Immobilienvermögen wird vererbt. Auch hier gibt es eine starke Konzentration: 40% des vererbten Immobilienvermögens geht an nur 2% der österreichischen Haushalte.

Es gibt eine Meßgröße für die Ungleichverteilung, den Gini-Koeffizienten. Der bewegt sich zwischen 0 (bedeutet Gleichverteilung) und 1 (maximale Ungleichverteilung). Laut Erhebungen der CIA liegt dieser Wert beim Einkommen in Österreich irgendwo zwischen 0,25 und 0,29. Das ist gar nicht so übel, erreicht fast skandinavisches Niveau und setzt sich deutlich von Bananenstaaten wie den USA und China (beide über 0,45) oder Botswana (über 0,6) ab. Beim Vermögen jedoch, auf das ich mich hier konzentriere, schlägt uns plötzlich ein Gini-Koeffizient von 0,76 entgegen. International gesehen ist das noch nicht mal so ein großer Ausreißer, Werte über 0,6 sind nicht unüblich. Gefunden habe ich ältere Vergleichsdaten aus Finnland (0,68), Italien (0,61), dem Vereinigten Königreich (0,66), Deutschland (0,78) und den USA (0,81), die allerdings alle über 10 Jahre alt sind.

Wichtiger als die Frage, was international üblich ist, ist aber die Frage, was für eine Gesellschaft gesund und gerade noch erträglich ist. US-amerikanische Verhältnisse will ich weder bei der Einkommens- noch bei der Vermögensverteilung haben. Es ist also wenig sinnvoll, sich unter Hinweis auf den in den USA erreichten Wert von 0,81 auf unseren österreichischen 0,76 auszuruhen.

Funktioniert Umverteilung von Vermögenswerten? Ist das nicht ein linksextremes Konzept, eine gescheiterte kommunistische Träumerei? Kurze Erinnerungshilfe: Es war die keineswegs kommunistische CDU, die mit Wirtschaftsminister Ehrhard und Kanzler Adenauer 1952 das Lastenausgleichsgesetz erfand. Es gilt als einer der Grundpfeiler des deutschen Wirtschaftswunders und hat größere Vermögen mit - festhalten! - 50% (in Worten: fünfzig Prozent) besteuert, zahlbar in Raten über einen Zeitraum von 30 Jahren.

Natürlich sind die Voraussetzungen heute andere, die Not der Armen nicht vergleichbar mit der Nachkriegszeit. Aber: Wir haben eine Krise, und die Frage nach der politischen Vertretbarkeit von exzessivem Reichtum auf Kosten der Gemeinschaft ist längst gestellt. In der taz zum Beispiel berichtet Mathias Geffrath über einen Vorschlag, die aktuelle Witschafts- und Schuldenkrise über eine einmalige, europaweite Abgabe von (ohnehin vergleichsweise geringen) 30% auf die Vermögenswerte zu bewältigen. Diejenigen, die aus dem Finanzsystem der letzten Jahrzehnte Gewinn geschlagen haben, sollen für die katastrophalen Folgen bezahlen. Mathias Geffrath stellt dazu trocken fest: Eine 30%ige Vermögenssteuer klingt für uns heute so absurd, daß nicht einmal ausgewiesen linke Organisationen sie fordern würden. 1952 war es die konservative CDU, die eine viel stärkere Umverteilung auf den Weg brachte. Was ist mit unserer Gesellschaft zwischen 1952 und 2012 passiert? Sind wir so sehr nach rechts gerutscht, so entsolidarisiert, daß ehemals konservative Witschaftspolitik heute sogar den Linken zu radikal scheint?


Spende für MediaGoblin

What if everyone's photos were on flickr - and it disappeared? What would happen if YouTube went away? What would happen to cat videos on the internet? It would be like a cat massacre. This leads to a sad internet.

Ich hab wieder mal Geld gespendet: $ 50,- (also etwa 38 Euro) für das Projekt MediaGoblin. Worum gehts? Es geht um das einfache und dezentrale Veröffentlichen von Fotos, Videos und Musik im Netz jenseits von Flickr und YouTube. MediaGoblin verfolgt seit Juni 2011 diese ehrgeizige Idee. Seit 10. Oktober diesen Jahres nun gibt es die Möglichkeit, die Entwicklung von MediaGoblin durch Einwurf kleiner Münzen zu beschleunigen. (Hier die Spendenseite mit einem entzückenden kleinen Video.)

Warum finde ich es wichtig, Alternativen zu Flickr und YouTube zu haben? Zentrale Systeme sind eine Perversion der Vision vom Internet. Das Internet ist konzipiert als ein unorganisierter Verbund gleichberechtigter Rechner, die Daten austauschen. Bei E-Mail funktioniert das noch: Obwohl mein eigener Mail-Account bei A1 liegt, kann ich Mails von GMX, Google oder Yahoo! empfangen. Sollte ich einmal meinen Provider wechseln, kann ich trotzdem allen Freunden und Bekannten weiter Mails schicken. Ich muß sie nicht überreden, mit mir zum neuen Provider zu kommen, damit wir in Kontakt bleiben können.

Anders ist das bei YouTube oder Flickr (oder Facebook, Skype, Twitter etc.). Alles, was sich dort an Kommunikation und Interaktion abspielt, muß mit einem Account jeweils dieses einen Systems passieren. Die soziale Kommunikation passiert nur zwischen denen, die am gleichen Server angemeldet sind. Und: Die Systeme wachsen mit jedem zusätzlichen User wie ein schwarzes Loch und bilden das de-facto-Monopol für ihren jeweiligen Markt. Statt eines offenen, gleichberechtigten Systems vieler Video-Plattformen gibt es YouTube. Statt vieler gleich populärer Foto-Seiten gibt es Flickr. Das ist nicht das, was das Internet sein sollte.

MediaGoblin hat das Ziel, eine wirklich vernetzte Alternative zu schaffen. MediaGoblin wird als Teil des GNU-Projekts entwickelt, ist freie Software im Sinne der GNU AGPLv3 und kann von jedem verwendet werden, um seine eigenen Multimedia-Dateien auf der eigenen Website zu verwalten bzw. zugänglich zu machen. Die Benutzeroberfläche ist simpel und muß den Vergleich mit der großen Konkurrenz nicht scheuen. Was MediaGoblin noch nicht hat sind einige Leistungsmerkmale, die zwar auch der Roadmap stehen, derzeit aber noch nicht implementiert sind. Genau deswegen benötigt das Projekt Geld. $ 60 000,- ist der Zielwert (das sind rund 48 000,- Euro), 13% davon hat die Kampagne in den ersten 4 Tagen bereits eingebracht. Meine € 38,- sind dabei und ich bin stolz drauf. :)

PS: Apropos stolz drauf: Vor einigen Wochen hab ich in diesem Artikel auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, seine Unterstützung für die Ziele der Free Software Foundation Europe kostenlos und einfach nur durch Angabe von Namen und Mail-Adresse auszudrücken. Die gute Nachricht: Ca. 0,5% aller Unterstützungserklärungen wurden aufgrund meines Aufrufs abgegeben! Das ist schon mal was, find ich. Was ich nicht so toll finde: Nur etwa 2% der Unterstützungserklärungen kommen aus Österreich. Sogar die Schweiz hat uns diesbezüglich überholt. (Die mit großem Abstand fleißigsten Unterstützer sind übrigens die Deutschen und - Trommelwirbel - die Finnen!) Liebe Leute, da geht noch was! Wenn wir schon beim Song Contest immer abstinken, sollten wir wenigstens beim FSFE-Knuddelbewerb weiter vorne zu finden sein! :)


Zeig Deine Unterstützung!

FSFEIch persönlich unterstütze die Free Software Foundation Europe (FSFE) ja schon seit 2006, vor allem durch regelmäßige finanzielle Zuwendungen. Jetzt können alle ihre Unterstützung ausdrücken, ganz simpel und gratis:

Auf dieser Seite trägt man Namen und E-Mail-Adresse ein. Nach dem üblichen Klick auf den per Mail zugesandten Bestätigungslink ist man auch „gezählter Sympathisant“ und fließt somit (anonym!) in die Statistik ein.

Wer sollte das tun? Und warum? Das Warum ist leicht erklärt: Die FSFE will einerseits Liebe und Zuneigung, andererseits bei Ihren Kampagnen auch auf handfeste Unterstützerzahlen verweisen können. Auch das Wer ist klar: Jeder muß mitmachen, der mit den Zielen und Kampagnen der FSFE etwas anfangen kann. Inhaltlich spannt sich der Bogen hier von Freier Software über Softwarepatente bis hin zu offenen Standards. Gearbeitet wird auf politischer Ebene bis hinauf zu EU-Gremien, aber auch ganz konkret durch Vernetzung von Experten oder lokale Veranstaltungen wie den Software Freedom Day letzte Woche in Wien.

Daß ich mich gleich am ersten Tag eingetragen hab ist klar. Jetzt möcht ich zusehen, wie der Counter nach oben geht. Los! :)


Wiener Linien: Fahrpläne schüren kriminelle Energien

Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber die Diskussion über die Veröffentlichung von Fahrplan- und Echtzeitdaten der Wiener Linien ist um eine Peinlichkeit reicher.

Im Rahmen eines Chats auf diepresse.com wurde Eduard Winter, Geschäftsführer der Wiener Linien, wieder einmal mit der seit 2010 (!) offenen Frage konfrontiert, warum die Wiener Linien diese mit öffentlichen Mitteln finanzierten Daten nicht auch öffentlich zugänglich machen, wie es in zivilisierten Städten üblich ist. Seine Antwort darauf:

Wir wollen vermeiden, dass unsere Echtzeitdaten ungefiltert abrufbar werden, da es dann durchaus möglich sein kann, sich auf unserem Server einzuloggen. Da haben wir die Befürchtung, dass hier möglicherweise kriminelle Energie freiwerden könnte - zum Schaden unserer Fahrgäste.

Man fragt sich schon, ob das Blödheit oder unverschämte Provokation ist. Nur zum Verständnis: Niemand verlang Zugriff auf interne Server der Wiener Linien. Was gefordert wird ist, die ohnehin bereits bestehenden externen Schnittstellen (die z.B. vom Programm qando verwendet werden) zu dokumentieren und mit einer Lizenz zu versehen, die die Abfrage auch erlaubt. (Derzeit verbieten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Nutzung der Schnittstelle.)

Wäre die Argumentation von Herrn Winter auch nur ansatzweise logisch und richtig, müßten die Wiener Linien auch ihr bestehendes Webservice i.tip auf der Stelle vom Netz nehmen. Es stellt genau die Daten online, von denen Herr Winter behauptet, sie würden das Einloggen auf seine Server ermöglichen und zum Schaden der Fahrgäste kriminelle Energien freilegen.

Zur Erinnerung: Erstmals ins Bewußtsein der Öffentlichkeit getreten ist das Thema „Fahrplandaten“ 2010. Damals hat Thomas Perl (übrigens eine absolute Ausnahmeerscheinung in Sachen Software-Output für „die Guten“) ein Programm fürs Nokia N900 veröffentlicht, das diese nur inoffiziell anzapfbaren Daten für N900-User wunderbar aufbereitete. Statt das Projekt zu unterstützen, drohten die Wiener Linien damals mit rechtlichen Schritten und erzwangen sowohl die Löschung der Installationsfiles aus allen Repositories als auch die Entfernung aller Hinweise darauf aus dem Web. Letzteres hat mich selbst getroffen. Erik hat das damals mitbekommen und in seinem Kommentar angekündigt, die Sache bei den Grün_innen zu hinterfragen. Tatsächlich nahm Marco Schreuder das Thema auf (hier sein Blog-Beitrag mit Verweis auf meinen Originalartikel) und brachte einen „Open Data“-Antrag im Gemeinderat ein, der der Blockadetaktik der Wiener Linien ein Ende machen sollte. Natürlich wurde der mit absoluter SPÖ-Mehrheit abgelehnt. Gerade noch: Kurz darauf war die Wahl, und im rot-grünen Regierungsübereinkommen steht dann zumindest ein weichgespültes Lippenbekenntnis zu Open Data.

Geändert hat sich seither nichts, die Argumentationslinie der Wiener Linien ist einfach nur noch weltfremder und bescheuerter geworden, wie das oben angeführte Beispiel zeigt. Aber: Seit 2010 bekommen die Wiener Linien das Thema nicht mehr weg. Es ist wie eine lästige Schmeißfliege, die ihnen bei allen möglichen Anlässen um die Nase fliegt. (Ich wette: Mittlerweile wünschen sie sich, sie hätten nie auf das N900-Programm reagiert.) Das allein ist ein Erfolg. Es zeigt, daß Open Data kein Randthema ist, das nur mich interessiert. Es zeigt, daß viele andere nicht zur Kenntnis nehmen wollen, wenn kreative und innovative Menschen wie Thomas Perl mit ihrer Arbeit an Packelei und undurchsichtigen Machtstrukturen scheitern. Danke an dieser Stelle an Marco Schreuder für seine konkrete Initiative und an Iwona Wisniewska dafür, daß sie Eduard Winter wieder mit der Sache konfrontiert und auf dasfaschblatt.at einen Artikel dazu veröffentlicht hat. Steter Tropfen höhlt den Stein, hoffentlich.


Mitmachen im Kampf gegen „Zensur-Boot“!

Ich bin nicht Seven of Nine, sondern 30.714 of (derzeit) 31.812. So viele bestätigte Unterstützer hat bisher die FSF-Unterschriftenliste gegen ein geschlossenes UEFI „Secure Boot“, für eine Lösung, die dem Konsumenten die Kontrolle überläßt. (Worums inhaltlich geht, habe ich vor rund einem Monat hier angerissen.)

Die FSF lädt auf dieser Seite ein, sich per Unterschrift für ein System zu engagieren, das den Nutzer nicht vom eigenen PC aussperrt. Wörtlich heißt es unter anderem:

Wir, die Unterzeichner, halten alle Computerhersteller, die die „Secure Boot“-Funktion aus UEFI implementieren dazu an, dies in einer Art und Weise zu tun, die es erlaubt Freie Betriebssysteme zu installieren. […] Wir halten fest, dass wir Computer, die den Benutzern diese notwendige Freiheit nehmen, weder käuflich erwerben noch empfehlen werden und dass wir Menschen in unserem Umfeld aktiv dazu auffordern werden, derart eingeschränkte Systeme zu meiden.

Letzteres mache hier ausdrücklich und mit allem Nachdruck. Außerdem fordere ich natürlich auch Menschen in meinem Umfeld ebenso aktiv dazu auf, sich bittschön gfälligst auf dieser Liste zu verewigen. :)


ACTA: Ich war dabei

ACTA_DemoHat's also doch was gebracht, bei -7° durch die Straßen zu ziehen: ACTA ist Geschichte.

Auch wenn schon wieder an Nachfolgeregelungen gedacht wird - es ist gut zu wissen, daß Druck von der Straße manchmal eben doch was bringt. Ich bin stolz auf mich. :)


Der Krieg um General Purpose Computing

Das Thema ist nicht mehr neu, aber brandaktuell. Der Kampf um freie Software und gegen Mißbrauch von Verwertungsrechten ist noch in vollem Gang, da beginnt schon der nächste Krieg. Er umfaßt alles, was bisher aktuell war, bringt aber noch eine neue Dimension mit ein: der Krieg der Industrie gegen den universell einsetzbaren Computer, „The War on General Purpose Computing“.

Bis vor kurzer Zeit war die Welt noch zweigeteilt. Computer gabs in zwei Ausführungen: Einerseits waren da Laptops und Desktop-PCs, die man mit irgendeinem Betriebssystem bestücken und dann frei verwenden konnte. Auf der anderen Seite gabs Computer als Steuerungseinheiten von Mikrowellenherden, TV-Geräten und Autoelektronik. Diese zweite Gruppe war nicht weniger anspruchsvoll oder leistungsfähig, sie war nur fix ab Werk mit einer einzigen Aufgabe betraut und konnte nie vom Endanwender für etwas anderes programmiert werden. Irgendwo dazwischen entwickelten sich Telefone und Tablets, bei denen die einfacheren Geräte eher wie eine Mikrowelle konzipiert waren, die smarteren eher wie ein Laptop. Noch vor 2-3 Jahren sah es so aus, als ob sich das Konzept des universellen Computers auch im Bereich der mobilen Geräte ausdehnen würde. Es gehörte zunehmend zum guten Ton, auch Telefone und Tablets als reine Hardware zu sehen, an der der Konsument Eigentum erworben hat und daher je nach Wunsch auch alternative Betriebssysteme verwenden kann.

Jetzt schlägt die Entwicklung um. Was Verwertungsmaschinen wie Apple schon seit längerer Zeit vormachen, wird nun auch für andere Hersteller zur Option. Neue technische Standards wie UEFI „Secure“ Boot werden ausschließlich dafür geschaffen, eine bestimmte Hardware fix an ein Betriebssystem zu ketten. Konsumenten, die einen damit verseuchten Computer kaufen, können - abhängig von der exakten Konfiguration - unter Umständen nie ein anderes System ihrer Wahl aufspielen. (Genau das macht sich z.B. Microsoft jetzt im Tablet-Markt zunutze: Tablets müssen so konfiguriert sein, daß ein ab Werk installiertes Windows nicht vom Eigentümer ersetzt werden kann.)

Richtig spannend wird die Sache dann, wenn dieses aufgezwungene Betriebssystem - ähnlich wie iOS von Apple - auch noch die Programme vorschreibt, die installiert oder nicht installiert werden können. Statt einer universell einsetzbaren Maschine, die ich mit meinem Geld gekauft habe und die zu 100% unter meiner Kontrolle steht, erhalte ich eine von mir finanzierte Abspielstation für Inhalte aus einem Content-Store, dem ich nicht entkommen kann. Ich kann nichts installieren, was nicht im Store ist, weil das Betriebssystem es nicht zuläßt. Ich kann das Betriebssystem nicht wechseln, weil die Hardware es nicht zuläßt. Es ist mein Computer, den ich um mein Geld gekauft habe - aber kontrolliert wird er vom Hersteller des Betriebssystems und seinen Hardware-Partnern.

Diese essentielle Einschränkung ist ein Konzept, das in manchen Marktnischen heute bereits akzeptiert wird. Spielekonsolen beispielsweise werden als Gesamtpaket von Hardware, Betriebssystem und verfügbarer Software wahrgenommen. Niemand hinterfragt hier noch, warum man nicht einfach ein besseres Betriebssystem aufspielen und die leistungsfähige, teure Hardware auch für andere Zwecke nutzen kann. Das bedeutet aber nicht, daß es nichts zu hinterfragen gibt und daß diese Verhaushaltsgerätung von Computern ungebremst voranschreiten darf. Wichtig ist, daß das Problem von Konsumenten erkannt und bei einer Kaufentscheidung bewußt miteinbezogen wird. Es wird in Zukunft Computer geben, die via UEFI „Secure“ Boot an ein Betriebssystem gefesselt sind - und solche, die diese Einschränkung nicht haben. Es wird Tablets/Telefone geben, die nur mit einem einzigen Betriebssystem lauffähig sind und nur aus einer Quelle Programme beziehen - und solche, die die jede Wahl lassen. Auch wer zum Zeitpunkt des Kaufs noch nicht konkret vor hat zu wechseln, sollte sich jeweils für die freiere Alternative entscheiden. Einerseits natürlich, weils das moralisch Richtige ist. Andererseits und vor allem auch, weil man nie weiß, was man sechs Monate später mit dem Gerät machen möchte.

Es ist, wie üblich, ein Krieg der Industrie gegen die Konsumenten. Die Industrie hat sich längst in Stellung gebracht und ihre Strategie ausgearbeitet. Die Konsumenten haben zum Großteil noch nicht einmal begriffen, daß der Krieg stattfindet. Es wird Zeit, das zu ändern. Sehenswert/lesenswert: der Vortrag von Cory Doctorow dazu bzw. die deutsche Übersetzung.




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