Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Politik und Gesellschaft



ESC: Islamistische Attacken

Ayatollah Mohsen Mojtahed Shabestari

Was bringen Schwule nach Aserbaidschan? Was wird in aserbaidschanischen Familien nach der Gay Parade passieren? Es gibt keinen Platz für unmoralische Schwule in Aserbaidschan. Verlaßt unser Land. Kein Platz in Aserbaidschan für Schwule, die aussehen wie Tiere.

Es gibt keinen Platz für das Böse in diesem Land – wir malen Blau zu rotem Blut.

Diesen Text bekam zu lesen, wer heute die traditionsreiche Song-Contest-Site esctoday.com besuchen wollte. Ein martialisches Kitschbild vervollständigte die Propaganda. Mittlerweile ist das Angebot komplett vom Netz, der Inhalt aus 12 Jahren Arbeit zerstört und gelöscht. Ähnliche Angriffe und versuchte DDoS-Attacken gab es heute auf eurovision.az, ESCkaz und sogar die offizielle Homepage eurovision.tv.

Inhalt und Sprache legen zunächst nahe, daß die Angriffe auf Aserbaidschan selbst kommen. Es gibt allerdings auch noch eine weitere Theorie: Der Iran könnte, so heißt es, hinter all dem stecken. Dort gab es in den letzten Wochen zunehmende Proteste gegen die angeblichen moralischen Entgleisungen im nördlichen Nachbarland. Der iranische Ayatollah Mohsen Mojtahed Shabestari warf der aserbaidschanischen Führung vor, eine von anti-islamischen Kräften geforderte Party auszurichten. Demonstrationen gegen den Song Contest im Nachbarland hatten schon letzte Woche vor der aserbaidschanischen Botschaft im iranischen Täbris stattgefunden. Auch hier waren es Geistliche, die die Menge aufgehetzt hatten. Anschließende Gegenproteste in Baku (Der iranische Islam ist kein Islam! und Der Iran schickt Terroristen in unser Land!) beweisen, daß die iranisch-aserbaidschanischen Beziehungen ohnehin nicht von tiefer Freundschaft geprägt sind.

Die EBU als Veranstalterin des Song Contest spricht in einer Stellungnahme von bedauerlichen Vorfällen und versichert: Wie immer existiert ein solides Sicherheitskonzept für den Eurovision Song Contest, und wir haben bereits im vergangenen Jahr entsprechende Garantien von den relevanten Behörden erhalten, unterschrieben vom Premierminister Aserbaidschans. Wir haben Vertrauen in ihre Arbeit. Na dann.


Der Club 2: Feminismus und Song Contest

Iris SchwarzenbacherKollegin A. hat mich auf ein sagenhaftes Stück österreichischen Fernsehschaffens aufmerksam gemacht: Am 29.2. gabs im ORF einen Club 2 zum Thema „Popowackeln beim Song Contest – Provokation oder harmloser Partyspaß?“

Allein des Titels wegen hätte man ja vorgewarnt sein müssen: Never. Never ever. Nun hat mir die A. aber versichert, daß dieses Stück vor unfreiwilliger Komik nur so strotzt. Eine Feministin (wozu?), Lukas Plöchl, Alfons Haider (hat der kein Zuhause?) und weißt eh, der Produzent, der vom Falco (wobei sie die Backen aufgeblasen hat) würden da, so Kollegin A., von einer Blamage zur nächsten hupfen und es dabei schaffen, Lukas Plöchl als den einzigen Diskussionsteilnehmer mit Schulbildung erscheinen zu lassen.

Ich habs mir also gegeben. Volle Kanne. Die ORF-TVthek stellt das Machwerk ja dankenswerterweise zur Verfügung. Checker wie ich sehens via A1 TV, das einfache Volk möge am Computer diesem Link folgen. (Was ist das für eine verrückte Zeit, in der man auf eine Videocassette verlinken kann?)

Ein paar Zitate?

Angelika Hager, Journalistin (?):

Nein, diese Frau zitiere ich nicht. Die sitzt auf ihrem hohen Roß und spuckt auf alles runter, was kein Prosecco-Glaserl in der Hand hat. Um sie doch zu zitieren: Ja, leider, das is ja so fuurchboa, eigentlich …

Iris Schwarzenbacher, hauptberuflich Frau, Feminist_in, Studierende, kritische Schüler_in, ORF-Publikumsrät_in und Studierendenvertreter_in der Österreichischen Hochschüler und Innenschaft:

… ein Zeichen dafür, welche sexistischen Strukturen in Österreich vorherrschen …

… wo Frauen ganz klar in einen Objektstatus gerückt werden, wo der Popo schon fast mehr Subjekt ist als die Frau selbst …

… für mich ganz klar ist die Aussage, daß die Frauen sexuell zur Verfügung stehen haben müssen, und weder der Text noch die Performance suggeriert, daß die Frau ein Wörtchen mitzureden hat und daher ist es für mich ganz ganz klar ein sexistisches Lied und repräsentiert Österreich insofern ganz gut.

Diese spaßbefreite Person Marke „ich esse nur Müsli und Äpfel“ hat es übrigens tatsächlich geschafft, Lukas Plöchl die ganze Sendung ununterbrochen mit „Du“ anzusprechen, während er beinhart beim „Sie“ geblieben ist. Allein dafür liebe ich ihn.

Marco Schreuder, sonst eh lieb, aber irgendwer hat ihn halt hingesetzt:

Ich bin jetzt ein Mann, aber: Ich unterstütze den Feminismus. Wir haben immer noch ein Ungleichgewicht an Einkommen. […] Ich verstehe diese Kritik […] Ich kann diese Haltung [deutet zur Berufsfrau], weil es Frauen in unserer Gesellschaft in Einkommensbereichen immer noch schlechter geht, nachvollziehen.

Marco? Bist Du noch da? Bei Dir oder bei uns? Reden wir über einen Party-Song oder über Schulungsunterlagen zum Gender_innen-Mainstreaming im öffentlichen Dienst?

All diese Aufregung, das Herbeibeten des Untergangs der Frauenbewegung, wegen „Woki mit deim Popo“ und - aufpassen! - der Tatsache, daß man während der UV-Licht-Szene der Bühnenshow die Gesichter der Frauen nicht sieht!? (Eh scho wissen: gesichtsloses Objekt.)

ATV sinkt nicht tiefer in seinen Trash-Shows. Wie gesagt: Daumen hoch für Lukas Plöchl. So gfoit ma des! Er hat den ganzen Schmutz stoisch über sich ergehen lassen, hat sich sichtlich seinen Teil über die komische alte Tante rechts gegenüber gedacht und hin und wieder die aufgeregt schnatternde Diskussionsrunde auf den Boden des Lebens zurückgeholt. So redet man eben in der Disco, sagt er zwischendurch. Oder: Man kann nicht mit jedem Lied Politik machen, manchmal wollen die Leut auch einfach nur abfeiern. Vielleicht war er nicht wirklich der einzige mit Schulbildung, aber jedenfalls der einzige mit Realitätsbezug und Vernunft.

PS: Ja, Haider und Spiegel waren auch dabei.


#ilovefs - ich hab (fast) alles gemacht

ilovefs-Plakat im BüroZum heutigen „I Love Free Software“-Tag kann ich vermelden: Ich hab so gut wie alles gemacht.

Schon im ersten Blog-Eintrag zu diesem Thema konnte ich ja stolz berichten, daß eine ganze Reihe von Punkten abgehakt sind. Banner verwendet, Blog-Beitrag geschrieben, Microblogging-Einträge mit dem Hashtag #ilovefs, einem Entwickler ein Bier gezahlt …

Im Büro gings dann noch weiter mit der angekündigten feurigen Rede über Freie Software in der Kantine. Es war gar nicht so einfach, das Thema in Gesprächen über Song Contest und Tierärzte einzuflechten. Außerdem hab ich eine der hübschen Grafiken von der Homepage der FSFE als Plakat über meine Bürotür geklebt, was ebenfalls für verwunderte Blicke, Fragen und schließlich Gespräche über Freie Software gesorgt hat. (Nicht vergessen: Wir sind nicht unbedingt die IT- und Entwicklerabteilung.)

Tja. Wäre also alles erledigt; alles bis auf hug a developer. Nuja. Muß ja nicht am 14.2.2012 sein. :)


Valentinstag - ich liebe Freie Software!

I Love Free Software - #ilovefsWas wäre ich ohne Freie Software? Meine Liebeserklärung zum Valentinstag gilt dem Charme Freier Software, der Erotik von Copyleft-Lizenzen (GPL 3 macht mich heiß) und dem guten Gefühl, das einem die Unabhängigkeit von Unternehmensinteressen beschert.

Die Free Software Foundation Europe erklärt den Valentinstag kurzerhand zum I love Free Software Day und liefert jede Menge Ideen, wie man heute Freie Software unterstützen kann:

  • Microblog Especially on Valentine's Day, microblog about how you love Free Software, and use the Hashtag #ilovefs. Encourage your friends to do as well, let us try to push our message in a high ranking on Twitter trends and hashtag timelines in identi.ca and other blogging system.
  • Blog If you are a Blogger, blog about the "I love Free Software" - Day and the idea behind it. Get people attracted by the idea of Free Software.
  • Banners We set up a page showing different banners that support the "I love Free Software" - Day and that are free to use. Some even come along with code snippets to easily implement it on your homepage or blog.
  • […]
  • Hug a developer (Obviously better to ask permission first ;) )
  • Buy your favourite developer a drink. Or buy someone else a drink and while savouring it, tell him/her about your favorite Free Software application!
  • Use your lunch break at work to talk with your colleagues about Free Software and why it is worth to support our movement.

Den Großteil hab ich erledigt: Blog-Eintrag (dieser hier) mit Banner (links oben); Microblog-Eintrag mit #ilovefs (hier im status.net-Netzwerk); einem freundlichen und verdammt guten Entwickler via PayPal ein Bier gezahlt; … Fehlt also noch: einen Entwickler zärtlich umarmen (bei mir anmelden über die Kommentarfunktion *LOL*) und meinen Arbeitskollegen bei der Mittagspause über Freie Software erzählen. Das schaff ich schon noch. ;)


ACTA: Österreichs Regierung hat Erinnerungslücken

In den Medien wird berichtet, Österreich habe den ACTA-Vertrag bereits unterschrieben. Ich bin mir ja nicht sicher, inwieweit damit eine Paraphierung oder Ratifizierung gemeint ist … das ist aber für die folgenden Politwitz unerheblich:

Die Futurezone hat nämlich nachgefragt, wer denn nun eigentlich die politische Verantwortung trägt, wer also den Vertrag inhaltlich bearbeitet und die Unterzeichnung befürwortet hat. Die Antworten:

  • … verstehe ich nicht (Bundeskanzleramt)
  • Wir haben damit nichts mehr zu tun (Wirtschaftsministerium)
  • Unsere Rolle dabei ist sehr beschränkt (Außenministerium)

Man hat das Gefühl, daß eine Reihe von Heinzelmännchen die ACTA-Dokumente Nacht für Nacht zwischen den Büros hin- und hergeschoben hat, bis alle notwendigen Stempel und Unterschriften drauf waren. Das ist ein beruhigendes Zeichen für eine funktionierende, transparente Demokratie.


ACTA: Ich bin ein Mann

ACTA_DemoMinus 7 Grad konnten mich nicht abhalten. Gemeinsam mit Maskierten und Vermummten bin ich vom Stock im Eisen Platz zum Parlament gezogen, um gegen ACTA zu demonstrieren. Ich kann nicht schätzen, wie viele wir waren, aber wir waren laut und bunt genug, um viel Aufmerksamkeit zu erregen. Und das ist gut so. (Update: Laut Polizeiangaben waren wir 3.000-4.500; österreichweit kamen rund 9.000 zu den Kundgebungen.)

Die Reden zum Schluß vor dem Parlament haben Mut gemacht. Vielleicht ist doch noch nicht alles zu spät. Vielleicht setzt das Umdenken jetzt auch bei den großen Parteien ein.

Danke an die Organisatoren. Danke an alle, die dabei waren!


ACTA-Demo: Mann oder Maus?

Stop ACTAMorgen ist der Tag der weltweiten Anti-ACTA-Demos. Um 13:45 könnte ich in Wien mit dabei sein.

ACTA gehört zum Schlimmsten, was derzeit auf der politischen Bühne ausgehandelt wird. Unter dem Deckmantel „Urheberrechtsschutz“ hebelt es wichtige Prinzipien wie Rechtssicherheit, demokratische Kontrolle und Meinungsfreiheit aus. Parlamentarier werden genötigt einem Vertrag zuzustimmen, dessen wesentliche Inhalte ihnen noch nicht einmal zugänglich sind. Rechtsverfolgung und -durchsetzung wird privatisiert.

Und was mach ich? Ich schau entsetzt auf den Wetterbericht und stelle fest, daß es zur Zeit der Demo etwa -10° haben soll. Ob ich da wirklich ins Freie gehen kann?

Bis morgen ist ja noch Zeit, Faulheit gegen ehrliche Empörung abzuwägen. Ein Beispiel nehmen sollt ich mir an A., der heut im Büro nur lapidar gemeint hat: Ich bin eh schon krank, da kann ich genausogut hingehen.

Für alle, die weniger kälteempfindlich sind als ich: Warum ACTA so schlimm ist und eine Zäsur darstellen kann in der Art, wie wir das Internet benutzen, erklärt man hier und hier. Infos zu Demonstrationen in Österreich findet man hier. Außerdem gibts ein Video zum Thema auf YouTube.


♬ Ding Dong! ♫ The Witch Is Dead ♪

Wir haben im Büro immer wieder mal das „Lied zum Tag“. Heute ganz klar mein Favorit:

Klaus Nomi: Ding Dong! The Witch Is Dead

Ich krieg den Song schon den ganzen Tag nicht aus dem Kopf, seit mich mein Radiowecker heute um 7:00 Uhr mit den Nachrichten geweckt hat.

Wake up, you sleepy head!
Rub your eyes, get out of bed!
Wake up, the wicked witch is dead!

11.9.: Der Terroranschlag um 13 Millionen Dollar

Angriff auf La Moneda Die Welt gedenkt des brutalen Terrors vom 11. September. Mindestens 3.000 Tote, wahrscheinlich wesentlich mehr. Folteropfer. Menschen, die vom Erdboden verschwunden und nie wieder aufgetaucht sind.

Erst Jahre nach diesen terroristischen Anschlägen hat sich immer deutlicher herausgestellt, wer hinter ihnen steckte, wie akribisch sie über lange Zeit vorbereitet waren und welche Unsummen an Geld in die Aktion geflossen sind: Der amerikanische Geheimdienst CIA hat über drei Jahre hinweg insgesamt 13 Millionen US-Dollar aufgewendet, um die Anschläge vorzubereiten und die Akteure zu unterstützen. Trotz des enormen Budgets war die unter dem Namen Project FUBELT geführte Operation so geheim, daß weder der amtierende Außenminister noch der Verteidigungsminister eingeweiht wurden. Selbst die betroffenen US-Diplomaten und CIA-Chefs im Ausland blieben im Vorfeld uninformiert.

Um 6:20 des 11. September 1973 begann dann der von den USA unterstützte Putsch mit einem Anruf der chilenischen Militäts beim demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende. Schon wenige Stunden später hatten die Putschisten unter General Augusto Pinochet Radiosender, Wohngebiete und den Präsidentenpalast bombardiert und Regierungsmitglieder verhaftet. Bis 14:00 Uhr dauerte der Spuk - dann nahm sich Salvador Allende das Leben. Augusto Pinochet regierte Chile von da an mit Unterstützung der USA bis zu seinem Tod im Jahr 1990. Henry Kissinger erklärte die Notwendigkeit der Korrektur des demokratischen Wahlergebnisses mit den einprägsamen Worten: The issues are much too important for the Chilean voters to be left to decide for themselves.

Die Anzahl der Toten ist tatsächlich unbekannt. 3.000 gelten als wahrscheinlich, die meisten davon unmittelbar nach dem Putsch. Amnesty International schätzte die Opferzahl der Militärdiktatur sogar auf 30.000.

Es ist für mich immer wieder rührend zu sehen, wie die Vereinigten Staaten von Amerika (und mit ihnen die ganze westliche Welt) als Hüter von Demokratie und Freiheit nun jedes Jahr am 11. September des Terrors und seiner Opfer gedenken - und zwar trotz der unrühmlichen Rolle, die sie selbst dabei spielen. Das nenne ich gelungene Vergangenheitsbewältigung. Hut ab!


Endlich: € 50.000 Strafe für Facebook-Nutzung

Facebook: Dislike! Endlich hat sich mal jemand die Mühe gemacht, die Machenschaften von Facebook (siehe Facebook: The Uber-Capitalist Experiment) auf Basis einer zivilisierten europäischen Rechtsordnung (in diesem Fall: der des deutschen Bundeslandes Schleswig-Holstein) zu analysieren. Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) kommt zu dem Ergebnis:

Fanpages bei Facebook und Social-Plugins wie zum Beispiel der „Gefällt mir“-Button verstoßen gegen das Telemediengesetz (TMG) und gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) bzw. das Landesdatenschutzgesetz Schleswig-Holstein (LDSG SH). Wer diesen Gesetzen unterliegt und eine Website unter Einbindung solcher Facebook-Plugins betreibt, muß mit Strafen bis zu € 50.000,- rechnen. Das ULD hat angekündigt, ab Ende September Maßnahmen gegen Websites zu ergreifen, die bis dahin der Aufforderung zur Entfernung der Facebook-Dienste nicht nachgekommen sind.

Die komplette Erklärung gibt es auf der Homepage des ULD als Presseinformation und ausführlich im 25seitigen Arbeitspapier „Facebook und Reichweitenanalyse“. Kurz gesagt ist das rechtliche Problem, daß Facebook über diese Plugins tatsächlich persönliche Daten sammelt - und das auf eine Art und Weise, die mit der deutschen Rechtslage nicht vereinbar ist.

Ich finds hoch erfreulich, daß hier mal jemand Nägel mit Köpfen macht und sehr detailliert und nachvollziehbar beschreibt, daß der Sumpf Facebook nicht nur moralisch und ideologisch verwerflich, sondern eben auch illegal ist. (Letzteres zumindest nach der Meinung des ULD.) Gespannt bin ich drauf, ob ähnliche Analysen demnächst auch in Bezug auf Google auftauchen.




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