Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Politik und Gesellschaft



Operation Spring

Ich komm gerade aus dem Kino: Operation Spring von Angelika Schuster und Tristan Sindelgruber, ein Film über die Geschichte der Gerichtsverfahren, die auf dem ersten "großen Lauschangriff" in Österreich aufbauen. Es wird einem seltsam kalt dabei, auch wenn die Dinge dermaßen absurd erscheinen, daß das zahlreich erschienene Kinopublikum befreiendes Gelächter vorzieht. Unscharfe Videos in schwarz-weiß, auf denen eine Gruppe nicht zu erkennender Männern laut durcheinanderplappert, werden von einem angeblichen Dolmetscher zu Beweisen umfunktioniert. Ein anonymer, vermummter Zeuge wird quer durch alle Verhandlungen geschleift und sagt der Reihe nach gegen die Angeklagten aus. Dabei fällt erst nachher auf, daß seine Aussagen in sich nicht schlüssig sind, weil er zum gleichen Zeitpunkt an unterschiedlichen Orten gewesen sein müßte. Selbst die Tageszeitung Die Presse, der obrigkeitsfeindlicher Aktivismus nicht unbedingt nachgesagt werden kann, findet im Artikel Lauschangriff beim Chinesen das eine oder andere Haar in der Suppe bezüglich des Vorgehens der Justiz.
Unbedingt ansehen!
Kinoeinsatz in Wien verlängert bis 13.10. im Stadtkino, ab 14.10. im Filmhauskino am Spittelberg.
Premiere in Linz am 14.10. im Moviemento; regulär in Linz ab 21.10. im Moviemento.
Innsbruck: Cinematograph ab 11.11. Plakat Operation Spring

Massachusetts: "Datei speichern - aber offen!"

Da schimpft man in einem fort über Amerika, und dann ereilt einen plötzlich diese Meldung aus Massachusetts: Ab 1.1.2007 müssen dort alle Behörden das freie Dokumentformat OASIS OpenDocument zum Austausch von Office-Dokumenten verwenden. (Als Alternative ist nur noch PDF erlaubt.)

Grundlage ist das soeben beschlossene Enterprise Technical Reference Model (ETRM), in dem es wörtlich heißt:

As of January 1, 2007 all agencies within the Executive Department will be required to:

  1. Use office applications that provide conformance with the OpenDocument format, and
  2. Configure the applications to save office documents in OpenDocument format by default.
OpenDocument wird, obwohl es sich um einen sehr jungen Standard handelt, bereits von einer Reihe von Programmen unterstützt, darunter OpenOffice, StarOffice, KOffice, Abiword, eZ publish, IBM Workplace, Knomos case management, Scribus DTP, TextMaker und Visioo Writer.

Damit entscheidet sich die öffentliche Verwaltung eines US-Staates, der fast so groß wie Österreich ist, für die Unabhängigkeit von Microsoft. Unabhängigkeit bedeutet in diesem Fall natürlich nicht, daß Office-Produkte aus Redmont überhaupt nicht mehr zum Einsatz kommen: Immerhin sind zum Teil langfristige Lizenzen bereits bezahlt. Allerdings muß eine technische Lösung gefunden werden, um auch aus MS-Office heraus Dokumente im OpenDocument-Format speichern zu können. Microsoft selbst plant diese Möglichkeit (derzeit) auch für die kommende Generation seiner Software nicht. Aus gutem Grund: "Office-Kompatibilität" war bislang immer das absolute Pflichtprogramm für jeden MS-Konkurrenten und konnte kaum jemals wirklich zu 100% erfüllt werden, gerade weil Microsoft seine Formate nicht offen legte. So manche versuchte Migration von Windows auf Unix-ähnliche Systeme wie GNU/Linux scheiterte in der Praxis an einer zuverlässigen Möglichkeit des Dokumentenaustauschs mit Geschäftspartnern im Microsoft-Format. Würde Microsoft nun umgekehrt OpenDocument-Kompatibilität in seine Produkte einbauen, wäre dieser wichtige Stolperstein für migrationswillige Unternehmen aus dem Weg geräumt.

Microsoft versucht derzeit mit seinem "Office XML"-Format auf OpenDocument zu reagieren. Office XML ist tatsächlich gut dokumentiert, wird jedoch wegen einiger Fallen in den Lizenzbestimmungen von vielen nicht als gleichwertige Alternative akzeptiert.

wahlkabine.at

www.wahlkabine.at, der traditionsreiche Wahlhelfer, hat anläßlich der im Oktober anstehenden Landtagswahlen (Steiermark, Burgenland, Wien) wieder geöffnet. Auch wenn mich mein persönliches Ergebnis diesmal doch ziemlich verblüfft hat: Die Wahlkabine ist wieder einen Besuch wert.

Blair: "Kein Zusammenhang mit Irak"

Einen Zusammenhang zwischen den Bomben von London und seiner Irak-Politik kann Tony Blair nicht erkennen, berichtet derstandard.at:
Die frühere Entwicklungministerin Clare Short hatte nämlich gemeint:

Wir sind in das Niedermetzeln einer großen Zahl irakischer Zivilisten verwickelt und unterstützen eine Nahost-Politik, die in den Augen der Palästinenser mit zweierlei Maß misst - das schürt natürlich die Wut.

Blair hat im Vergleich dazu doch ein deutlich einfacheres Weltbild. In seiner Reaktion auf die Aussage Short's meint er schlicht:

Die Selbstmordattentäter haben nicht so gehandelt, weil sie vom Islam oder konkreten politischen Überzeugungen getrieben wurden, sondern von einer "Ideologie des Bösen".

So einfach kann die Welt sein, wenn man gerade erst wieder gewählt wurde und sich mit so komplexen Konzepten wie Ursache und Wirkung nicht weiter beschweren muß.Tony Blair

London: "Anschläge"?

London: über 50 Tote. Die Medien berichten in gewohnter Art über die "Anschläge". Faszinierend dabei die Wortwahl: Es handelt sich um "Anschläge", noch dazu solche gegen Zivilisten. Das macht was her.
Warum eigentlich wird hier sprachlich differenziert zwischen den El Kaida-Angriffen auf London (NYC/...) und denen der USA auf die arabische Welt, zum Beispiel dem jüngsten (gemeinsam mit Großbritannien) auf den Irak? Warum spricht man hier von "Terroranschlägen", dort von "Angriffen" und "Kollateralschäden"?
Schließlich ist beides in gleichem Ausmaß widerwärtig, gegen Zivilisten gerichtet und wohl ausschließlich zum Vorteil einiger weniger. Schließlich ist auch der heutige Anschlag von London, ebenso wie der von New York City 2001, nur ein Scharmützel von vielen in einem seit langem andauernden Krieg. Einem Krieg, der nicht 2001 begonnen wurde - und nicht von islamistischen Terroristen.
Eines haben das Duo Bush/Blair und El Kaida allerdings gemeinsam: Jeder ihrer Schritte stärkt den jeweiligen Gegner. So wie die US-amerikanischen Aggressionskriege dem Terrorismus neue Nahrung liefern, so halten regelmäßige Angriffe der El Kaida die Extremisten Bush und Blair im Amt und verschaffen ihnen die Rechtfertigung für immer weitere Schrecklichkeiten.

USA & Freedom, Teil II

Ich mag Thomas Rottenbergs Kolumne "Stadtgeschichten" nicht. Sie erinnert mich an die wichtigtuerische Besserwisserei von Schülerzeitungen. (Und die Erinnerung ist umso schmerzhafter, als ich selbst mitgeschrieben habe.)
Die Geschichte "Amerika" aber paßt einfach zu perfekt zu meinem letzten Eintrag über George Doublebush. Ich muß einfach Werbung dafür machen. Rottenberg erzählt darin so viel Schönes über das Verhältnis des Landes "that promotes freedom around the world" zu journalistischer Freiheit (und ein bißchen auch zu Intelligenz) ...

Bush: "USA Promotes Freedom"

Humor hat er, George W. Bush. In einer Reaktion auf den Bericht von amnesty international, in dem das Gefangenenlager Guantánamo Bay wörtlich als "Gulag unserer Zeit" bezeichnet wird, meint er laut CNN.com glatt:

"It's absurd. It's an absurd allegation. The United States is a country that promotes freedom around the world."

Solche Anschuldigungen, so Bush, würden von Menschen gemacht, die Amerika hassen. (Daß es solche Leute überhaupt noch geben kann, mutet seltsam an: Gerade die Bush-Administration hat ja im Irak erfolgreich bewiesen, wie gut sie fähig ist, "die Herzen der Menschen zu erobern".)
Ähnliche lustig drauf ist Dick Cheney laut derstandard.at:

"Wenn amnesty international irgendwie andeutet, dass die USA Menschenrechte verletzten, dann kann ich sie nicht ernst nehmen. Ehrlich, ich fühlte mich beleidigt. [Gefangene dort werden] gut, menschlich und anständig behandelt."

Was soll einem dazu noch einfallen? Bush

Anti-Internet-Gesetz beschlossen

Jeder Schüler mit einer Homepage muß in Zukunft seine Adresse und Telefonnummer darauf veröffentlichen. Das kommt dabei heraus, wenn sich der österreichische Nationalrat zum Thema Internet seine Gedanken macht.

Am 12.5.2005 wurde eine Änderung des Mediengesetzes beschlossen. Wichtigste Neuerung: Jede private Website fällt mit Inkrafttretten am 1.7.2005 ausdrücklich unter die (großteils bereits jetzt für andere Medien geltenden) Bestimmungen bzgl. Impressumspflicht, Entschädigungsansprüche, Verpflichtung zur Veröffentlichung von Gegendarstellungen etc. etc.

Schon das Bauchgefühl sagt sofort: Das kann nicht sein, hier stimmt etwas nicht. Die erste Analyse kommt zunächst zu einem anderen Schluß: Warum sollen bei Homepages andere Regeln gelten als bei Flugblättern, Vereinszeitschriften oder Schülerzeitungen?
Drei Unterschiede sind es, die dem Gesetzgeber offenbar nicht aufgefallen sind:

Erstens: Es besteht absolut keine Notwendigkeit dafür. Bei bedrucktem Papier ist ein korrektes und vollständiges Impressum die einzige Möglichkeit, um gegebenenfalls die für den Inhalt Verantwortlichen ausforschen zu können. Der Tisch, auf dem die Zeitungen und Flugblätter herumliegen, kann keine Auskunft über deren Macher geben.
Ganz anders bei Websites: Hier ist der Inhalt permanent auf einem Server gespeichert. Über die Betreiber der Servers, uU die Inhaber einer Domain, kann man bei Bedarf jederzeit auf die für ein bestimmtes dort gespeichertes Dokument Verantwortlichen zugreifen. Ganz ohne öffentliches Impressum. Es ist so, als wäre von jeder Ausgabe der Zeitschrift NEWS nur ein einziges Exemplar vorhanden, das ausschließlich im Verlagshaus einzusehen ist. Ein Sprecher des Verlagshauses kann dann dem Leser direkt zu jedem Artikel den Autor nennen.

Zweitens ist ein völlig anderer Personenkreis betroffen. Wer ein Flugblatt herausgibt oder sich für eine Schülerzeitung engagiert, hat etwas mitzuteilen. Er möchte eine Meinung verbreiten oder auch nur Informationen, die ihm am Herzen liegen. Hier eine Angabe des Impressums zu verlangen, scheint angemessen - ebenso wie Entschädigungsansprüche, falls er dann doch über's Ziel hinaus schießt.
Die private Homepage von Daniel (15) und Martin (15) hat einen anderen Zweck. Eigentlich geht's da in erster Linie darum, eine Homepage zu haben. Mit dem Medium Internet Erfahrungen zu sammeln. Muß hier eine Adresse und eine Telefonnummer (!!) wirklich seit? Wer kann ein rechtlich berechtigtes Interesse daran haben?

Der dritte Grund ist die leichte elektronische Verwertbarkeit der Daten. Das Impressum der Vereinszeitung vom Monegassisch-Österreichischen Verband lesbischer Imkerinnen bekommt zu sehen, wer auch ein Exemplar der Vereinszeitung liest. Das ist gut so. Das Impressum, das Daniel und Martin ab 1.7.2005 auf ihre private Website schreiben müssen, kann von jedem Adressensammler weltweit nach beliebigen Kriterien elektronisch erfaßt werden. Da auf der Website das Stichwort "Snowboarden" vorkommt und die Angabe von Anschrift und Telefonnummer verpflichtend ist, steht dem fröhlichen Zusenden von zielgruppengerechtem Werbematerial samt anschließendem Anruf vom Call-Center nichts mehr im Wege.

Weitere Konsequenzen, so zB die journalistische Haftung für Gästebuch-Einträge sowie Entschädigungsansprüche bis zu 100.000,-, sind hier noch gar nicht erwähnt, ebensowenig wie die sprachliche Unbestimmtheit des Gesetzestextes, der es zB derzeit unmöglich macht zu sagen, ob der Gesetzgeber die Änderungen nun tatsächlich nur für Websites herbeiführen will, oder auch für andere Internet-Inhalte (RDF-Dokumente, Usenet-Postings etc.).

Jedenfalls steht fest, daß hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird und ein für Print-Medien bewährtes System in einer Weise auf den elektronischen Raum ausgedehnt wird, die (wieder einmal) davon zeugt, wie wenig sich der Gesetzgeber mit dieser Materie auseinanderzusetzen bereit ist.
Im besten Fall bleiben die neuen Bestimmungen totes Recht. Wahrscheinlicher ist, daß die weitere Entwicklung des Webs in Österreich dadurch gehemmt wird.

Und übrigens: Das Gesetz wurde einstimmig beschlossen.

Schönborn und die Physiologie der Spanier

Seltsam oft, wie Schlagzeilen einander ergänzen, wenn sie am gleichen Tag durch die Medien gehen:

So zitiert die APA heute den Wiener Erzbischof Schönborn mit der Aussage:

Zwischen Menschen gleichen Geschlechts gibt es keine Ehe. Das ist nicht eine Frage von Religion, das ist eine Frage - pardon - von Physiologie, von Psychologie, das ist eine Frage dessen, was wir Natur nennen. Das gehört nicht nur zum klassischen christlichen Erbe, sondern auch zum klassischen antiken Erbe, dass es so etwas wie die menschliche Natur gibt, und dass die dauerhafte Beziehung zwischen Mann und Frau Ehe genannt wird und die Fruchtbarkeit dieser Beziehung Familie genannt wird. Das nicht in dieser Klarheit zu sagen, ist die Feigheit der Political correctness.

Nachzulesen ist der gesamte Text auf derstandard.at.

Am gleichen Tag beschließt das spanische Parlament ein Gesetz, das gleichgeschlechtlichen Paaren nicht nur die Eheschließung, sondern auch die Adoption von Kindern ermöglicht (auch hier der Verweis auf derstandard.at). Das Gesetz wird von zwei Drittel der Bevölkerung unterstützt. Spanien reiht sich damit in die mittlerweile große Gruppe europäischer Staaten, die entsprechende Rechtsinstitute geschaffen bzw. die Ehe für Schwule und Lesben geöffnet hat (siehe Grafik).

Was sagt uns das, Herr Schönborn, über die Physiologie der Spanier?
Schwule Hochzeit

Das Schaf ist unser Schaf!

Aus den lateinischen Fachbezeichnungen einiger Tierarten leitet die Türkei nun einen Angriff auf ihre nationale Einheit ab - und schafft umgehend lateinisches Newspeak:
  • ’Vulpes Vulpes kurdistanica’, eine Rotfuchsart aus dem Osten der Türkei, heißt ab sofort nur mehr ’Vulpes vulpes’
  • ‘Ovis armeniana’, ein Schaf, wird zu ‘Ovis Orientalis anatolicus’
  • ‘Capreolus Capreolus armenius’, ein süßes Rehlein, gefährdet die nationale Sicherheit und wird fortan ‘Capreolus Caprelus capreolus’ genannt
Umweltminister Osman Pepe, aus dessen Ministerium diese Ideen sprudelten, begründet sie mit dem Satz "Der Fuchs ist unser Fuchs, das Schaf ist unser Schaf!" - und was für eines!
Details bei taz und derstandard.at, wie immer mit reizenden Kommentaren der Leserschaft.
So ein Schaf!



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