Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Politik und Gesellschaft



Bye, Bye, Wiener Konvention

Wie derstandard.at in diesem Artikel berichtet, fühlt sich die regierende US-Junta an die Wiener Konvention "nicht mehr gebunden":

Die US-Regierung fühlt sich einem Pressebericht zufolge nicht länger an das Protokoll der Wiener Konvention zum Recht auf konsularischen Beistand für im Ausland inhaftierte Personen gebunden. Außenministerin Condoleezza Rice habe UN-Generalsekretär Kofi Annan in einem zwei Absätze langen Schreiben vom 7. März darüber unterrichtet, heißt es in der "Washington Post" vom Donnerstag unter Berufung auf US-Regierungsbeamte.

Anlaß seien, so berichtet derstandard.at, wiederholte Verfahren vor dem IGH, in denen den USA vorgeworfen wird, Angeklagte oder Verurteilte nicht über ihr Recht auf diplomatischen Beistand aufzuklären.
Ist es nicht schön, daß Friede, Demokratie und Freiheit auf Erden von einer Nation beschützt (und definiert) werden, die aus wirtschaftlichen Erwägungen Aggressionskriege führt, Frauen und Kinder niedermetzelt und internationale Vereinbarungen nach Belieben bricht, derweilen sich die christlich-konservative Mehrheit im eigenen Land Gedanken über die sexuelle Orientierung der Zeichentrickfigur SpongeBob macht?

US-Bombe sollte schwul machen

Danke. Danke, Aljazeera.com, für diesen wunderbaren Artikel:
In den 90ern plante die US-Army offenbar verschiedene 'innovative' Waffensysteme. Unter anderem eine Bombe, deren chemische Inhaltsstoffe Soldaten der feindlichen Truppen sexuell unwiderstehlich für einander machen würden ("...“gay bomb”, which could make enemy troops “sexually irresistible” to each other...).
Ebenso zersetzend für die gegnerische Kampfmoral wäre wohl der Plan gewesen, die feindlichen Soldaten mit Substanzen zu besprühen, die eine aphrodisierende Wirkung auf harmloses, aber lästiges Kleingetier (Ratten, Wespen, etc.) haben.
Das gesamte Programm war mit 7,5 Millionen US-Dollar budgetiert. Zumindest offiziell wurde, lt. Aljazeera, keine der Waffen jemals gebaut.

Danke, Polen!

Es wird Zeit, sich bei Polen zu bedanken.

FR: Klagen wegen CD-Kopierschutz

In der Futurezone ist es nachzulesen: In Frankreich klagt die Wettbewerbsbehörde die Firma EMI wegen des bei Aufio-CDs eingesetzten Kopierschutzes.
Ich entdecke langsam meine Sympathie zu diesem Land, das sich immer häufiger globalisiert-einheitlichen Gedankenmodellen zu entziehen scheint.

Versagen der Demokratie: Kritische Urteilslosigkeit

Bei der Anschaffung eines Elektroherdes läßt sich jeder umfassend beraten. Genau werden Preis, Leistung, Optik etc. der einzelnen Modelle verglichen.
Bei der Nationalratswahl treffen immer mehr Menschen ihre Entscheidung spontan in der Wahlzelle.

Eine brillante und gleichzeitig deprimierende Analyse unseres Politsystems liefert Larissa Krainer auf derstandard.at unter dem Titel "Kritische Urteilslosigkeit".

Sie beschreibt treffend einen Teufelskreis, der es uns mittlerweile fast unmöglich macht, von einer funktionierenden Demokratie zu sprechen - ohne diese letzte ketzerische Konsequenz tatsächlich auszusprechen.
Eine Politik der Aussagelosigkeit, medientaugliche Kürzelsprache, Politaktionismus und schließlich der fatale Zeitdruck, der es den berichtenden Journalisten unmöglich macht, Hintergrundrecherchen zu betreiben und (frei nach Bert Brecht) "die Regierten zu fragen, was sie denn gerne von den Regierenden gewusst hätten."

Die Konsequenz aus ihrer Analyse wagt Larissa Krainer nicht zu ziehen: Wenn Politik und Medien in einer sich immer schnellen drehenden Spirale Inhalte durch Formen ersetzen; wenn "politische Berichterstattung [...] kaum noch von Fußballübertragungen zu unterscheiden" ist; wenn die Zeit zur Analyse politischen Geschehens fehlt und "Konsequenzen des politischen Tuns [...] nicht ausreichend analysiert wurden oder Hintergründe noch im Dunkeln liegen" - wie soll ein demokratischer Entscheidungsprozeß dann funktionieren? Worüber soll der stimmberechtigte Bürger entscheiden, wenn er die Fragestellung mit all ihren Schattierungen und Grautönen nicht kennt? Längst wählen wir das sympatischere Gesicht, ohne die Inhalte auch nur im Ansatz zu kennen.

Es wäre die Aufgabe einer verantwortungsvollen Politik, dieser Entwicklung gegenzusteuern und zu echter Demokratie zurückzufinden, in der der Wähler auch seine Pflichten wahrnehmen kann: Die Pflicht sich umfassend zu informieren, bevor er eine für sich und andere fundamental wichtige Entscheidung in der Wahlzelle trifft. Die Pflicht, sich zumindest so umfassend zu informieren wie vor der Anschaffung eines Elektroherdes.

Irak: "Zivilisten"?

Der Anschlag auf US-Besatzer in der Stadt Falluja war, bei aller Geschmacklosigkeit, ein brillantes Beispiel für die Medienwelt, in der wir leben:

Ganz offensichtlich war er unter Berücksichtigung der Medienwirksamkeit inszeniert. Die TV-Kameras waren ja nicht versteckt, sondern offen dabei; zufällig waren die Journalisten zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Von TV-Stationen und Zeitungen wurde der Vorfall dann auch prompt mit entsetzten Kommentaren versehen (allerdings bunt, in Farbe und auf Seite 1). Überall hat man sich auf einen "Anschlag gegen Zivilisten" geeinigt. Das ist ein griffiges Bild und gibt der Geschichte das Maß an Brutalität wieder zurück, das durch das unkenntlich Machen der grausam verstümmelten Körper verloren gegangen war.
Wie "zivil" die Opfer tatsächlich waren, zeigt ein Blick auf die Homepage ihres Arbeitgebers Blackwater USA. Natürlich, es waren keine Militärangehörigen - Zivilisten also im technischen Sinn. Solche aber, die man schickt, wenn die Sache selbst für Militärs zu unappetitlich wird.

Was wäre ohne die Kameras vor Ort geschehen? Hätte es den Anschlag in dieser Form gegeben? Warum werden die Söldner von Blackwater einheitlich als "Zivilisten" verharmlost?

Christian! - Das Musical

Ulf Wildner hat es geschafft: ORF, Krone und alle anderen Qualitätsmedien des deutschen Sprachraums peitschen das Publikum in wildem Stakkato von einem Schrei der Empörung zum nächsten. Zu schön sind die Tränen, zu tief die Gefühle, als daß man auf diese Geschichte verzichten könnte:
Entmenschte, prügelnde Mutter. Sadistische Gerichtsvollzieher. Weltfremde, gefühllose Behörden. Ein verlassener, liebender Vater. Und mittendrin das schreiende Kind, dem - vor laufenden Kameras mißhandelt - das Herz zerbricht. Das sind die klar verteilten Rollen, aus denen die großen Gefühle gemacht sind. Verfilmung folgt, in zwei Jahren steht "Christian! - Das Musical" vor der Premiere im Raimund-Theater.
Abseits der gefilmten Bilder und der Krone-Stories stellen sich im Zusammenhang mit dem Fall allerdings andere Fragen - Fragen, die das Musical stilistisch weg vom tränenreichen "Les Misérables" hin zur Bitterkeit von "Evita" oder "Chess" bringen würden:
  • Was ist das für ein Vater, der sein 8jähriges Kind in einer solchen Situation dem Licht der Kameras aussetzt? Die Medien waren ja nicht zufällig vor Ort, Ulf Wildner hatte sie zum Abtransport seines Sohnes eingeladen.
  • Wie wäre die ganze Aktion verlaufen, wenn weder Christian noch die Gerichtsvollzieher dem Stress durch die sie umgebenden Kameraleute und Fotografen ausgesetzt gewesen wären? Wäre Christian am Ende wesentlich ruhiger gewesen? Wären die Gerichtsvollzieher vielleicht eher in der Lage gewesen, die Situation einzuschätzen und - wie bereits einmal geschehen - die Aktion abzubrechen?
  • Wenn Vater Ulf berechnend genug war, die Journalisten einzuladen - welche Verhaltensregeln hat er seinem Sohn Christian mitgegeben für den Fall, daß die Kameras zu filmen beginnen?
  • Ganz abseits vom aktuellen Fall: Wäre die öffentliche Empörung vergleichbar groß, wenn nicht der kleine Christian so herzzerreißend gebrüllt hätte, sondern der 8jährige Sohn illegaler Einwanderer, der wieder in sein Herkunftsland verbracht werden soll? Wären ORF und Krone in diesem Fall überhaupt angereist?
Je mehr ich über diese Fragen nachdenke, desto mehr ekelt mich die Sache an. Ich kann die Geschichte nicht mehr sehen, will davon nichts mehr lesen. Weil die Journalisten niemals anwesend sein hätten dürfen. Weil wir es nie erfahren hätten dürfen. Dann wäre es nämlich auch nie passiert.

"Ich persönlich bin ein Mensch"

Es ist unglaublich, aber wahr: Unser aller Benito outet sich anläßlich ihrer Nominierung nach dem Bundesparteivorstand der ÖVP mit den hintergründigen Worten "Ich persönlich bin ein Mensch". Nachzuhören im Originalton (ab Sekunde 56).
Wenn der Wahlkampf gleich so beginnt - wie tiefschürfend kann er dann in seiner 'heißen' Phase werden?Benito

Blut & Handschellen statt Abschleppwagen

Eigentlich entsetzlich, was man über das Verhalten der Polizei gegenüber einem Parksünder so liest.
Zugegeben, der Mann scheint ein ziemlicher Rotzlöffel gewesen zu sein - aber daß er am Ende vor den Augen seiner 13jährigen Tochter blutend in Handschell am Boden liegt, weil er sein Auto in der Abschleppzone angehalten hat, ist nicht ganz das, was man unter "verhältnismäßig" versteht.

Hohmann: Nur der Schein zählt

Die Affäre um den CDU-Politiker Hohmann zeigt vor allem eines in erschreckender Klarheit:
Wie sehr die Politik, die immerhin unser aller tägliches Leben bestimmt, von den Medien gesteuert wird. Und wie wenig der Inhalt dieser Medien mit der Realität zu tun hat. Was am Ende dazu führt, daß politische Entscheidungen oft nur noch Reaktionen auf Schlagzeilen sind, ohne Bezug zur Wirklichkeit.

Was ist die Faktenlage?

Hohmann, weit rechts im gesellschaftspolitischen Spektrum und wahrscheinlich tatsächlich jenseits dessen, was selbst die CDU als erträglich einstuft, hält just am 3. Oktober (Nationalfeiertag) eine Rede, in der er kaum etwas ausläßt. Sozialschmarotzertum, Deutschland als Melkkuh der EU, kriminelle Türken, das alles und noch mehr wird auf den Stammtisch gebracht.
Unter anderem geht es auch um das Thema Kollektivschuld (bezogen auf die NS-Zeit) und den US-amerikanischen Professor Daniel J. Goldhagen, der die Deutschen lt. Hohmann als "Mörder von Geburt an" bezeichnet haben soll. Hohmann versucht, sich dem ohnehin problematischen Thema mit einem in vieler Beziehung fragwürdigen Vergleich zu nähern - er spricht die teilweise nicht unblutige Beteiligung einzelner Juden in den kommunistisch-marxistischen Bewegungen und Revolutionen der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts an. Und erklärt sofort darauf, daß man darauf aufbauend natürlich "die Juden" nicht als "Tätervolk" bezeichnen könne (genausowenig wie die Deutschen wegen der NS-Zeit, das ist Hohmanns Analogie).

Und was wurde berichtet?

Vom Inhalt der Rede wurde erstaunlich wenig berichtet. Er ist relativ wenig weit vom üblichen Stammtischniveau entfernt und daher für den Großteil der Menschen insofern uninteressant, als sie wahrscheinlich Hohmanns Ansichten teilen.
Was allerdings seinen Weg in die Medien gefunden hat ist das, was Hohmann nicht gesagt hat: "Die Juden sind ein Tätervolk". Interessant ist das vor allem deshalb, weil Hohmann ausdrücklich genau das Gegenteil erklärt hat.
Ich finde es beachtlich, wenn eines der auf Wochen hinaus dominierendsten politischen Ereignisse eines Landes wie Deutschland einzig und allein auf einer sinnstörenden Verkürzungen in den Medien beruht.
Ich möchte nicht so weit gehen zu behaupten, der Fraktionsausschluß wäre ausschließlich aufgrund dieser Medienberichte passiert. Hohmanns Rede in ihrer Gesamtheit zeigt (nicht zum ersten Mal) eine politische Position, die eine Partei wie die CDU nicht notwendigerweise tolerieren muß. Ich halte es aber doch für möglich.
Überzeugt bin ich aber davon, daß ein großer Teil der Reaktionen auf das Thema "Hohmann" (politische Kommentare, Meinungsumfragen etc.) ganz generell in Wahrheit Reaktionen auf etwas sind, das so in Wahrheit nie passiert ist.
Der Fall Hohmann war ein Luftballon. Ein dokumentierbarer, nachvollziehbarer Luftballon. Es macht mir Angst, daß viele andere Luftballons unentdeckt durch den politischen Alltag schweben und von der Politik wie schwere Geschoße behandelt werden. Mit allen Konsequenzen.



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