Politik und Gesellschaft
neuere Einträge ...I ♥ Free Software Day 2014
Wir haben freier Software so viel zu verdanken, da ist es nur würdig und recht, sie einmal im Jahr auch so richtig zu feiern. Deshalb hängt schon seit gestern Abend wieder das zuckerlrosa „I ♥ Free Software“-Plakat unter unserer Kaffeemaschine (Kommunikationszentrum!). Deswegen erkläre ich wieder jedem, der mich unvorsichtigerweise danach fragt, was freie Software ist und warum sie unsere Welt um so viel besser macht. Und deswegen verlinke ich jetzt zur Feier des Tages auf den Free Software Song, den seine Majestät Richard M. Stallman höchstselbst 1991 bei einer Science Fiction Covention erstmals intoniert hat:
Free Software Song (Originalversion)
Für Daniel gibts noch die extra-spezial-Version zum Gsundwerden:
Free Software Song (Metal Version)
Es wird von meiner Stimmung abhängen, welche der beiden Varianten des Liedes ich heute im Büro singe … ;)
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„Akademiker“-Ball: Dönmez wieder mal
Also, was trägt er in seinem Artikel Der WKR-Ball, die Grünen und das Dilemma zusammen?
Zum Beispiel die Aussage des Bundesgeschäftsführers der Grünen, Stefan Wallner. Dem ist nämlich vor gar nicht so langer Zeit zum Thema rechtsnationales Gedankengut eingefallen: … wir können nicht […] Zwangsmaßnahmen für […] Andersdenkende fordern. […] Meinungsfreiheit ist ein zentraler Wert einer Demokratie, den wir verteidigen …
Na also, geht doch! Das ist die Einstellung, die ich mir von einem grünen Politiker erwarte. Wobei, halt! Ganz so einfach ists dann doch nicht. Die Aussage Wallners bezog sich nämlich auf rechtsnationale Erdoğan-Unterstützer, die in einer höchst umstrittenen Demonstration durch Wien gezogen sind. Das war damals offenbar kulturell bereichernder Rechtsnationalismus, der unter die Meinungsfreiheit fällt und zu schützen ist - auch vor Angriffen aus den eigenen, grünen Reihen.
Beim „Akademiker“-Ball ist das anders. Dönmez stellt trocken fest:
Offensichtlich werden diese [Rechte] nur jenen zuerkannt, welche politisch opportun sind. National-islamistische Strömungen, welche auf Wiens Straßen „Wir sind Soldaten Erdoğans“ skandieren, fallen aus Grüner Sicht unter Meinungsfreiheit und Menschenrechte. Aber wenn Ball-Besucher mit einem deutschnationalen Weltbild und sonstigem rechten Gedankengut diesen besuchen, dann wird dagegen massiv gewettert und versucht, dies mit (fast) allen Mitteln zu bekämpfen.
Besser kann mans kaum formulieren. Es zahlt sich aus, den Artikel ganz zu lesen. Er erinnert mich wieder einmal an etwas, was ein sehr gscheiter Kopf einmal über die aktuelle Situation der österreichischen Grünen gesagt hat:
Verstehen sie überhaupt noch ihre eigenen Grundwerte und sind sie in der Lage, sie auch in einer veränderten gesellschaftlichen Realität anzuwenden? Oder hängen sie nur oberflächlich einer früher gefundenen Interpretation dieser Werte an, die vielleicht in den 1980er Jahren Gültigkeit hatte, 30 Jahre später aber längst angepaßt werden müßte?
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ESC: Brief an die Russen
Die Sorge ist nicht unberechtigt. Seit 30.6.2013 gilt in Russland ein Gesetz, das positive Darstellung von nicht-traditionellen sexuellen Beziehungen
gegenüber Minderjährigen verbietet. Was genau eine nicht-traditionelle sexuelle Beziehung ist, können Polizei und Gerichte willkürlich entscheiden - und die positive Darstellung gegenüber Minderjährigen kann nach aktueller Auslegung schon darin bestehen, daß zwei Männer sich mit einem Kuß voneinander verabschieden, wenn irgendwo in Sichtweite ein 17jähriger auf den Bus wartet.
Damit nicht genug: Die Gesetzesänderung war für die rechten Kräfte des Landes und für religiöse Fundamentalisten ein Startschuß für bisher beispiellose gewalttätige Übergriffe gegen Schwule und Lesben. Die Polizei sei weder in der Lage noch Willens, dagegen vorzugehen, berichtet tagesschau.de in diesem Artikel.
Wie unter diesen gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen ein Eurovision Song Contest abgehalten werden soll, macht den Verantwortlichen jetzt berechtigte Sorgen. Der Conchita-Wurst-Faktor unter den Teilnehmern beim Song Contest war immer schon recht hoch, auch wenn das ein paar Facebook-Spinner nicht mitbekommen haben, die erst heuer unter ihrem Stein hervorgekrochen sind. Dana International, DQ, Verka Serduchka, Marija Šerifović, Sestre, … Alle dieser Künstler repräsentieren in irgendeiner Weise nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen
. Selbstbewußt auf der Bühne zu stehen allein reicht jedenfalls für die Qualifikation als positive Darstellung, und daß in ganz Russland kein einziger Minderjähriger den Song Contest anschaut, ist so gut wie ausgeschlossen. Zu Recht fürchtet die EBU also, daß die Polizei Teilnehmer direkt von der Bühne ins Gefängnis prügeln könnte. (15 Tage Haft sind für Ausländer vorgesehen, danach die Ausweisung aus Russland samt Einreiseverbot für die Zukunft.)
Dazu kommt natürlich auch die Sicherheit der Gäste. Zumindest denkbar wäre es ja, daß sich das eine oder andere schwule Paar unter die Fans mischt, sogar beim Song Contest.
Ob das russische Fernsehen in irgendeiner Weise reagieren wird? Mehr als ein nichtssagendes „… tun unser Möglichstes … im Rahmen der geltenden Gesetze …“ ist realistischerweise nicht zu erwarten. Das eigentlich Berichtenswerte ist, daß die EBU überhaupt vorausschauend handelt. Hinter den Kulissen sollen bereits schärfere Geschütze in Stellung gebracht werden: Schweden und Deutschland, beide aus unterschiedlichen Gründen Schwergewichte im Wettbewerb, sollen bereits angekündigt haben, einem Song Contest in Moskau fernbleiben zu wollen. Die EBU könnte sich gezwungen sehen, das Austragungsland für das Folgejahr bei einem Sieg Russlands entgegen der langjährigen Regel nach anderen Kriterien zu bestimmen. Dafür müßte jetzt Vorsorge getroffen werden. Den Brief ans russische Fernsehen sehe ich als ersten Schritt dazu.
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Clemens Jabloner: Kluge Worte zum Abschied
Ein kluges Interview mit ihm gibts hier zu lesen. Auszüge:
Über Europa
Wir dürfen nicht so tun, als ob die von unseren Parteien entsandten Abgeordneten im Europäischen Parlament allein die Aufgabe hätten, österreichische Interessen zu wahren, hier geht es um Fragen, die die ganze Union betreffen. Außerdem wäre der europäische Rechtsetzungsprozess selbst stärker zu parlamentarisieren.
Über die affige Mode angeblich „ideologiefreier“ Parteien
Das ist selbst Ausdruck einer Ideologie. In der Politik werden Werte vertreten, das ist ja die Aufgabe der politischen Parteien. […] Es ist eine Illusion zu meinen, dass sich die Probleme aus sich heraus, durch rein vernünftige Einsicht lösen lassen. Irgendjemand muss ja etwas wollen in diesem Staat.
Über die Qualität der Gesetze
Manchmal haben Gesetze einen diffusen Kompromisscharakter, denken Sie an das Rauchverbot in Lokalen - der VwGH muss solchen Regelungen dann zwangsläufig einen bestimmten Gehalt geben. Der Gesetzgeber sollte einen deutlicheren Willen zeigen.
Interessante Gedanken auch zum Machtgefüge in Österreich, zur Stellung des Bundespräsidenten, zu den Gefahren weiterer plebiszitärer Elemente in der Verfassung … Rundherum schlau und lesenswert. Ein willkommener Kontrast zu den ganzen pseudogscheiten Kommentaren gescheiterter Existenzen, die sich jetzt als Polit-Journalisten verdingen.
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Hannah, Thesi, Denis und Agi: Wo sind die Bolschewiken, wenn man sie braucht?
Derzeit steht ein Forum auf „manuelle Moderation“, das zu einem Artikel in der Serie „Wohnwelten“ gehört. Unter dem Titel „Studenten-WG: ‚Unsere Putzfrau beseitigt große Streitfaktoren‘“ schildert er - mit Video - den harten Alltag der Studenten Hannah, Thesi, Denis und Agi. Die vier wohnen in einer 166m²-Studenten-Wohngemeinschaft im ersten Bezirk. Schreckliche Zustände! Das Denkmalamt genehmigt weder eine Klimaanlage noch den Einbau zusätzlicher Fenster, obwohl eines der Zimmer doch recht schattig ist. Was die vier Leistungsträger vor dem nervlichen Zusammenbruch bewahrt ist nur der regelmäßige Besuch der Putzfrau. Sie ist es, die wenigstens die gröbsten Streitfaktoren beseitigt und das dicht gedrängte Zusammenleben im sozialen Brennpunkt irgendwie erträglich macht.
€ 500,- zahlt jeder der vier für sein WG-Zimmer. Das empfinden sie als billig, denn: Der Altbau gehört Thesis und Agis Familie, und die hat die Miete kulanterweise auf das Niveau runtergesetzt, das man halt für irgendeine andere Wohnung außerhalb des ersten Bezirks auch zahlen würde. (Meinen sie: Ein Blick in den Immobilienteil würde hier aufklärend wirken.) Wobei, „zahlen“ … Hannah zahlt nichts, ihr finanzieren die Eltern das studentische Elend. Denis, der mit seinem Marketingstudium bereits fertig ist und zwischenzeitlich kurz in einer Edelboutique gearbeitet hat, konnte auf wundersame Weise Ersparnisse ansammeln, von denen er nun die Miete begleicht. (Mal ehrlich: Welcher Student legt nicht während des Studiums ein paar tausend Euro auf die hohe Kante?) Thesi und Agi überweisen die Miete an die eigene Familie, die in dieser Konstruktion ja als Vermieterin auftritt. Wahrscheinlich „damit die Kinder lernen, mit Geld umzugehen“ oder sowas …
Nachdem ich den Artikel gelesen, vor allem nachdem ich das Video gesehen hatte war mein dringendstes Bedürfnis, Josef Stalin auszubuddeln und ihn mit „Pepi! Faß!“ auf diese schönbrunnerdeutschelnden Gören zu hetzen. Wo sind die Bolschewiken, wo ist die Oktoberrevolution, wenn man sie mal braucht?
Dann kam die Phase der Selbstreflexion. Wieso eigentlich regen mich diese Menschen so auf, daß ich keinerlei Hemmungen hätte, ihnen körperliche Gewalt anzutun? Einfach nur deswegen, weil sie sind, was sie sind? Reiche Schnösel, die durch grobe Fehler im Gesellschaftssytem ohne eigenes Zutun zu den oberen Zehntausend gehören? Wohl kaum. Ich kenne solche Leute seit meiner Studienzeit (die Juristerei hat eine gewisse Anziehungskraft auf solche Typen). Sie waren mir nie sympatisch, ich habe sie aber auch nie blutig geschlagen. Das kanns also nicht sein. Was dann?
Es ist das völlig Verkennen der eigenen Situation, das Leben in der selbstgeschaffenen Blase, der Verlust jeden Realitätsbezugs, der alle vier zur Zielscheibe solcher Aggression macht. (Und nicht nur meiner Aggression: Trotz manueller Moderation hat das Forum innerhalb von 24 Stunden über 800 Einträge zu verzeichnen.) Die Herrschaften halten es offenbar tatsächlich für billig, wenn man als Student „nur“ € 500,- für ein WG-Zimmer zahlt. (Falls es unter meinen Lesern Leute gibt, bei denen die Studentenzeit schon länger her ist: ab € 250,- ist man dabei, wenn man von heute auf morgen dringend ein Zimmer benötigt, ohne nach einem günstigen Angebot suchen zu können.) Statt sich darüber zu freuen, daß man unverdient vom Schicksal bevorzugt wurde und sich schon als Student eine Altbauwohnung in der Innenstadt samt Putzfrau leisten kann, beklagt man sich über die fehlende Klimaanlage und die Gaubenfenster, die so wenig Licht hereinlassen.
Realität gefällig? Ebenfalls derzeit online auf dasfaschblatt.at:
- Elf Prozent der Studenten können sich heizen nicht leisten
- Eine halbe Million Menschen leben in Armut
- Alleinerzieherin im Gemeindebau: "Ich vermisse meinen eigenen Bereich"
Im Artikel „Alleinerzieherin im Gemeindebau: ‚Ich vermisse meinen eigenen Bereich‘“ wird über eine alleinerziehende Mutter berichtet, die mit ihren zwei Kindern in einer 65m²-Wohnung um € 420 lebt. Ich darf nochmal wörtlich das Fräulein Thesi zitieren, das satte € 500,- für ein einzelnes Zimmer an die eigene Familie überweist: Eine WG ist einfach billiger …
Daß das Forum unter diesem Artikel nun manuell moderiert werden muß, beruhigt mich irgendwie. Es bestätigt mich und zeigt mir: Ich bin nicht der einzige, der den Bericht über diese Zustände provozierend und abstoßend findet.
Der IWF ist auf meiner Seite
Jetzt bekomme ich Unterstützung von (für mich) unerwarteter Seite: Der Internationale Währungsfonds IWF schlägt die Besteuerung von Vermögen und die generell stärkere Belastung von Spitzenverdienern als Maßnahme vor (siehe hier). Einerseits soll das gegen die Schuldenkrise helfen, andererseits aber eben auch ein Beitrag zu mehr Verteilungsgerechtigkeit sein. Na dann: Auf, auf, Ihr Koalitionsverhandler in Deutschland und Österreich, schreibt das gleich mal rein in Eure Koalitionsübereinkommen! :)
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Nationalratswahl 2013: Was bedeutet das Ergebnis?
(Grundlage ist das Endergebnis vom 3. Oktober mit Briefwahlstimmen und Wahlkarten die aktuelle Hochrechnung inklusive der Wahlkarten und Briefwähler, nicht das vorläufige amtliche Endergebnis ohne diese beiden Faktoren.)
Positiv ist jedenfalls:
- Österreich bleibt (gerade noch) regierbar. Eine Zweierkoalition geht sich bei gutem Willen aus, die Unterstützung von Extremisten ist nicht notwendig. Ganz knapp vorbeigeschrammt an italienischen Verhältnissen also.
- Die Grünen fahren das beste Ergebnis ihres Bestehens ein. Noch nie zuvor kam die seit 1986 im Nationalrat vertretene Partei auf 24 Mandate
23 Mandatebzw. über 12%. Und: Die Grünen haben mehr Mandate dazugewonnen als die FPÖ (Grüne +4, FPÖ +2).
Das wars dann aber auch schon. Die Liste der Punkte, die zu denken geben:
- Einzelne Millionäre können in Österreich Stimmen kaufen. Lust auf eine eigene Partei? Programm und inhaltliche Arbeit sind nicht notwendig. Mit einem Sugar-Daddy im Hintergrund kommt man auf verläßliche 9 Mandate
10 Mandate. (Er muß nicht mal kandidieren: Haselsteiner z.B. hat sich für die NEOS-Plakate nur fotografieren lassen. Wer daraus ableitete, man könne ihn bei den NEOS auch wählen - Pech. Man muß nicht alles ernst nehmen, was einem so eine Partei verkauft.) - Rund 30% der Wähler stimmen für Parteien, die im öffentlichen Auftritt in erster Linie „dagegen“ sind, ohne sich inhaltlich für etwas festzulegen.
- Die Tatsache, daß Österreich im internationalen Vergleich hervorragend durch die Wirtschaftskrise gesegelt ist, wird den Regierungsparteien nicht zugute gehalten. Ich frage mich, welche Erwartungshaltung hier unter den Wählern besteht.
- Zum ersten Mal ist in Österreich eine „Zahnarztpartei“ im Parlament, die soziale Gegensätze verstärken, den Neoliberalismus nach Österreich bringen und die Umverteilungsspirale von unten nach oben noch weiter beschleunigen möchte. (Allerdings bezweifle ich, daß die NEOS von den Wählern genau deswegen gewählt wurden, ganz im Gegenteil: Auf ihren eigenen Plakaten stand davon natürlich nichts, und öffentlich erklären mußten sie sich auch nie. Siehe dazu dieser hervorragende Artikel.)
- Weiterhin sechs Parteien im Parlament. Beunruhigend nahe an italienischen Verhältnissen, so gesehen. Nicht gut.
Mal sehen, wie das Endergebnis aussehen wird und was uns dann bei der Regierungsbildung noch erwartet.
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Nationalratswahl 2013: Hobbywähler
Was das bedeutet, hat der User „Hintergrund“ in einem Posting treffend auf den Punkt gebracht:
So wie es heutzutage Hobbypolitiker wie z.B. Haselsteiner gibt, die schon über verschiedene Listen ihr Glück versucht haben und die vorübergehend ein paar Mille in den Wahlkampf werfen, um ihr Ego zu befriedigen und sich auf Plakaten bewundern zu können, wird auch die Gruppe der Hobbywähler immer größer, die sich 5 Jahre nicht für Politik interessieren und nicht mitbekommen was im Land abgeht, aber eine Woche vor der Wahl sich für den entscheiden, der am meisten Geld in die Wahlschlacht geworfen hat und mit unrealistischen Wahlversprechen am präsentesten ist.
So erhält ein Land jene Politiker, die es „verdient“.
Dem ist kaum noch etwas hinzuzufügen. Eines vielleicht nur: Wenn man sich auch noch vor Augen hält, daß 30% der Wahlberechtigten von keiner einzigen Partei die Ziele und Inhalte kennen (siehe hier), fragt man sich wirklich, ob es nicht sinnvoller wär, der Bundespräsident würde am SO einfach würfeln.
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I ♥ Barilla
Heute esse ich ein Nudelchen mehr als sonst: Die „Sorry-Nudel“ für die 15.000 Mitarbeiter des Barilla-Konzerns, die derzeit einem aus heiterem Himmel über sie hereingebrochenen, völlig absurden Shitstorm (natürlich mit Boykottaufruf) ausgesetzt sind.
Wieso Shitstorm? Was ist geschehen? Nun, Guido Barilla, einer der Eigentümer des Familienunternehmens, wurde in einem Radiointerview gefragt, ob er sich nicht auch vorstellen könnte, in der Werbung Regenbogenfamilien - also gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern - einzusetzen. (Das Thema wurde gerade von der italienischen Politik hochgespült, und Barilla ist berüchtigt für seine kitschige „Mama kocht für Papa und Kinder“-Werbung.) Seine Antwort drauf:
Nein, Barilla werde das nicht tun, weil man das klassiche, konservative Familienbild unterstütze. Zwar sei er grundsätzlich für die Rechte von Schwulen und Lesben und unterstütze auch die gleichgeschlechtliche Ehe. Eine Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare gehe ihm aber zu weit.
Auf die Nachfrage des Journalisten, ob eine solche Fixierung auf eine klassisch heterosexuelle Familie nicht auch Kunden kosten könnte, meint er: Wenn Schwule die Pasta und die Werbelinie mögen, werden sie die Pasta essen. Wenn nicht, dann nicht.
So weit, so gut. Lassen wirs nochmal vorsichtig sacken. Er hat gesagt: für die Rechte von Lesben und Schwulen, volle Unterstützung für gleichgeschlechtliche Ehe (in Italien gibt es nicht mal eine registrierte Partnerschaft), Adoption aber kann er sich nicht vorstellen. Und er hat gesagt: Ja, wenn jemandem weder Produkt noch Werbelinie von Barilla gefallen, wird er wohl eine andere Pasta kaufen. No na.
Welcher Strick wurde ihm daraus gedreht?
Heute liest man auf Facebook, Twitter und in Blogs: Der Chef des Barilla-Konzerns hat keinen Respekt vor Schwulen. Er will nicht, daß Schwule Barilla-Produkte essen und fordert sie auf, zu anderen Marken zu greifen.
Nochmal, zum Mitschreiben: In einem der letzten Länder der EU, das noch nicht einmal irgendeine Form von eingetragener Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare vorsieht, lehnt sich ein Unternehmer aus dem Fenster und unterstützt die Ehe für Schwule und Lesben. Gleichzeitig hat er die unermeßliche Frechheit zu sagen, daß ein entsprechender Werbespot nicht zum Image seiner Produktlinie passen würde und daß für ihn persönlich auch das Adoptionsrecht zu weit geht. Zum Dank dafür wird er über Nacht zum homophoben Monster erklärt, das Schwulen angeblich nahelegt, die Produkte seiner Firma nicht zu kaufen. Shitstorm, Boykottaufruf. Weltweit.
Schöne neue Welt.
Ich bedank mich jetzt mit extra Barilla-Konsum dafür, daß er sich im katholisch-konservativen Italien für die gleichgeschlechtliche Ehe eingesetzt hat. Gut gemacht, Guido! Hoch die Pesto-Gläser!
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